Cantharis

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ZENTRALE BEGRIFFE


Datei:Cantharis CR.jpg
Cantharis, Lytta vesicatoria

Probleme mit Entstehen – Werden – Wandel. Setzt auf zeitlose, ewig gültige Formen, um Vergehen und Wandel zu vermeiden. Konservative, werterhaltende Haltung. Will Vergänglichkeit nicht wahrhaben. Moden, Trends, neue Techniken und Medien überfordern ihn. Jeder Abschluss bedeutet auch einen Neubeginn, Cantharis kann deshalb mit nichts fertig werden.



Fokus der inneren Aufmerksamkeit
Cantharis fürchtet die Umstände, die ihn zum Eingreifen und Verändern auffordern. Die Welt an sich ist ein solch ständiger Aufruf, es besteht dauernder Handlungs- und Gestaltungsnotstand. Für Cantharis sehen die Dinge ungeformt und unbestimmt aus, er glaubt, sie richten und ausbilden zu müssen. Er erlebt die Welt formlos wie ein amorphes Stück Tonerde, der er Façon geben muss.



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Die Themenliste umfasst eine inhaltlich gruppierte Sammlung von Original Prüfungssymptomen

Wie zeigt sich das Leiden des Patienten? (Sekundäre Psora)

Wie kompensiert er sein Leiden? (Egotrophie, Egolyse, Alterolyse)

Wie lautet die eigentliche Hypothese „nach Masi“? (Primäre Psora)

Hier finden Sie spannende Interpretationen von einzelnen Themen oder Symptomen

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THEMENLISTE


Hauptthemen

Intellektuell findet sich ein Problem beim Ergreifen und Halten eines bestimmten Gedankens, eine Ablenkbarkeit vom willentlichen Gegenstand des Denkens, verbunden mit der Unfähigkeit, etwas zu Ende zu bringen. Unruhe treibt ihn herum, und sowohl das Schlucken wie auch das Sehen sind behindert.
Es besteht enorme Reizbarkeit bis zu einer Wut, die tierhafte Züge hat (dabei beissen und bellen, übersteigerte Geilheit). Es kommt zu panikartigen, hilflosen Attacken mit Angst vor Tod, Mord, eiskalten Würgehänden, vor Feuer und Verbrennen. Furchtbare Schmerzen treten auf, ein Gefühl, das Fleisch werde lebendig vom Knochen gerissen.
Eine dritte Themengruppe kreist um die Wiedergeburt. Helle Freundlichkeit und zyklisch-wöchentliche Wiederkehr werden kontrastiert von Schwäche und totenähnlichem Aussehen, von Stockung und Behinderung. Angst bei Voll(endet)heit, z.B. Vollheit des Magens.


1. Das Ergreifen der Gedanken
Früh, einige Stunden nach dem Aufstehen, sehr abgespannt am Geiste und es treten zu viele Nebengedanken in den Kopf, deren er sich nicht erwehren konnte. St 1
Will er über etwas nachdenken, so vergehen ihm gleich die Gedanken: er bleibt unverwandt und nichtssagend auf einem Gegenstande (den er jedoch kaum bemerkt), und hat Mühe, sich zu sammeln, um einige Worte in Zusammenhang zu bringen. HT 21
Irrereden. HT 24
Geistesverwirrung. HT 27
Seltsame Gedanken bedrängen ihn gegen seinen Willen. He 1.6
Verwirrung; Geistesverwirrung; Unfähigkeit zu konzentriertem Denken. He 1.7
Verwirrung des Kopfes und Pulsieren in der Stirn, morgens. He 1.8
Furcht, Verwirrung der Ideen, sie konnte nicht klar denken. He 1.16

2. Mit nichts fertig werden
Versucht ständig etwas zu tun, aber bringt nichts zustande. He 1.14

3. Spiegelnde, leuchtende Dinge
Wutanfälle werden wieder ausgelöst durch den Anblick von blendenden, leuchtenden Dingen oder durch Berührung des Kehlkopfes, beim Versuch Wasser zu trinken. He 1.12
Die Wutanfälle und die Konvulsionen erneuern sich durch Berührung der Kehle, durch Druck am Unterleibe in den schmerzhaften Gegenden, durch den Anblick des Wassers und der Bouillon. HT 31
Puerperalkonvulsionen: in Gegenwart glänzender Gegenstände; Anblick, Trinken oder Geräusch von Wasser und Berührung des Kehlkopfes verursacht heftige Krämpfe. He 24.4

4. Wütender Wahnsinn
Wüthender Wahnsinn. HT 29
Unbändige Wut: vier Männer können ihn nicht halten. HT 30
Fürchterliche Konvulsionen, wobei ihre Glieder verdreht wurden. HT 837
Rasendes Delirium mit Schreien, Bellen und Beissen; Verwirrung des Kopfes, ängstliche Unruhe; kalter Schweiss, vor allem an Händen und Füssen. He 1.10
Beinahe wahnsinniges Delirium. He 1.11
Wutanfälle werden wieder ausgelöst durch den Anblick von blendenden, leuchtenden Dingen oder durch Berührung des Kehlkopfes, beim Versuch Wasser zu trinken. He 1.12

5. Panik wie im Feuer
Die Kranke lief bald da bald dorthin, als wenn sie im Feuer gewesen, und war wie unsinnig. HT 830

6. Angst wie von Mord
Es ist ihm so ängstlich, als habe er einen Mord begangen, was vom Magen auszugehen scheint. HT (2)

7. Sterben, längst Verstorbene
Verzweifelt und niedergeschlagen, sagt, sie müsse sterben. He 1.15
Hitze mit Durst und Röte über und über; er schwatzte viel im Liegen, Sitzen und Gehen, ohne Zusammenhang, von seinen Geschäften und von Leuten, die längst schon tot waren. St 109

8. Reizbar und lästernd
Ausserordentlich empfindlich für alle Eindrücke; reizbar und lästernd. He 1.19

9. Neu geboren
Sehr heiter, fröhlich, sie dünkt sich wie neu geboren, das Zimmer und alle Gegenstände dünken ihr heller und freundlicher. HT 33

10. Hitze und Brennen
Beim Bücken wird er gleich sehr rot im Gesichte, das Blut schiesst ihm gewaltig in den Kopf; schon beim Sitzen wird das Gesicht so heiss, beim Gehen nicht. St 4
Brennen (und Wirbeln) im Unterleibe, bis er ein paar Mal zu Stuhle gewesen, vorzüglich früh. St 28
Brennender Schmerz über dem Nabel beim Husten, Niesen und Ausschnauben, wobei es ihm recht heiss im Unterleibe ist; in der Gegend dieses Schmerzes sind äusserlich etliche gelbe Flecken, welche, befühlt, mehr stechend als brennend schmerzen.St 29
Nachts Hitze des ganzen Körpers, vorzüglich im After und den Zeugungstheilen. St 105
Fieber: ein Gemisch von Hitze und Frost, Schwere der Füsse, eine lähmige Unbeweglichkeit der Gliedmassen, Appetitlosigkeit, Schmerz in den Augen und Zubettliegen. St 108
Hitze mit Durst und Röte über und über; er schwatzte viel im Liegen, Sitzen und Gehen, ohne Zusammenhang, von seinen Geschäften und von Leuten, die längst schon tot waren. St 109
Er hat keine Ruhe, sucht immer einen anderen Ort, zugleich eine innerliche Hitze im Kopfe. St 117
Hitze im Gesichte. HT 127
Jähling entstehende Hitze mit Röthe im Gesicht und Durst. HT 129
Brennen im Gesicht bei normaler Wärme beim Befühlen. HT 130
Hitze an den Lippen, der Zunge und der Gaumenhaut, bald nach dem Einnehmen. HT 146
Brennen im Munde, Schlunde und Magen. HT 162
Empfindung eines Brandes längs des Speise- und Darmkanals. HT 163
Brennen im Schlunde beim Schlingen. HT 183
Heftiges, aber nicht schmerzhaftes Brennen im Magen, mit Weingeschmack im Munde; den ganzen Vormittag. HT 289
Heftiger Durchfall mit unerträglichem Brennen im After. HT 395
Ausserordentliche Hitze in der Blase. HT 426
Hitze in der Blase. HT 427
Brennen in der Blase. HT 428
Brand der innern Harnblasenhaut. HT 433
Hitziges Brennen auf der Brust und Zwicken im Bauche mit Verstopfung. HT 638
Brennen auf der Brust wie Feuer, und wieder ein Klümpchen Blut im Munde, früh. HT 639
Heftiges Brennen mit Stichen in der ganzen Brust, äusserliche und innerliche, wie in den Knochen. 640
Brennen in der Brust. HT 641
Die Handflächen brennen wie Feuer. HT 734
Den ganzen Nachmittag, wie nach vielem Gehen an einem heissen Tage, erhitzt, das Gesicht dabei roth und die Hautausdünstung vermehrt. HT (144)
vgl. HT 164-167, 285-288, 413

11. Brennen der Körperhöhlen
Alle Höhlen des Körpers brennen wie roh und wund. HT 781

12. Stiche
Leise Stiche in der Brust ohne Bezug auf Athemholen. HT 642
Viele feine Nadelstiche nacheinander, in den untern Theil des Brustbeins hinein. HT 643
Mehrere spitzige Stiche nacheinander ins Brustbein, dass sie vor Schmerzen aufschrie. HT 644
Bei einem unbedeutenden etwas schnellen Drehen des Körpers, beim Athemholen heftiger Seitenstich auf der linken Seite unter dem Oberarm, durch den ganzen Körper hindurch, gleich als ob jemand mit einem feinen Spiesse ganz heftig mit einem Rucke durchsteche, so dass es auf einige Augenblicke den Athem versetzt (...) HT 647
Sie kann auf der linken Seite nicht liegen, wegen Stechen beim Einathmen, Mitternachts. HT 648
Viele feine Stiche hinein in die Gegend der linken Achsel an der Brustseite. HT 649
Ein paar Stiche auf der Mitte des rechten Schlüsselbeins. HT 680
vgl. HT 645, 646, 650-664, 667-675

13. Unvermögen zu schlucken
Erschwertes Niederschlucken von Flüssigkeiten, mehrere Monate lang. HT 184
Beschwerliches Schlingen. HT 185
Unvermögen zu schlucken. HT 186
Unvermögen etwas niederzuschlucken. HT 187

14. Zedernpech
Geschmack wie von Zedernpech. HT 211

15. Fistel
Am Zahnfleische über dem linken obern Schneidezahn zeigt sich ein rothes etwas schmerzendes Pünktchen, welches immer schmerzhafter wird, endlich eine kleine runde erhabene entzündete Stelle, von gelbröthlichem Ansehen, die wund ist und auch beim stärkeren Drücken von aussen schmerzt. Die ganze Oberlippe ist angeschwollen. HT 156
Nach einigen Wochen eine viele Wochen dauernde Zahnfistel; ein rothes Fleckchen über der cariösen Wurzel eines obern Schneidezahns, etwas schmerzend, von der Grösse eines Stecknadelkopfs, mit einer kleinen Öffnung in der Mitte, woraus, wenn man drückt, Eiter kommt. HT 157

16. Unruhe
Er hat keine Ruhe, sucht immer einen andern Ort, zugleich eine innerliche Hitze im Kopfe. St 117
Unruhe. HT 11
Höchste Unruhe im Sitzen und Liegen: sie muss immer auf und nieder, hin und her sich bewegen; Tag und Nacht. HT 12
Ängstliche Unruhe, führt zur Raserei. He 1.22
Grosse Unruhe, die ihn zwingt, sich ständig zu bewegen; grosse Lebhaftigkeit des Geistes. He 1.23

17. Trotz und Widerwillen
Laune von Trotz und Widerspenstigkeit. St 118
Höchste Unruhe im Sitzen und Liegen: sie muss immer auf und nieder, hin und her sich bewegen; Tag und Nacht. HT 12
Aufgeregtes Gemüth. HT 13

18. Lahmheit und Schwäche
Fieber: Ein Gemisch von Hitze und Frost, Schwere der Füsse, eine lähmige Unbeweglichkeit der Gliedmassen, Appetitlosigkeit, Schmerz in den Augen und Zubettliegen. St 108
Schwäche und Sinken der Kräfte. St 110
Sprache sehr matt, mit Gefühl von Schwäche der Sprachorgane. HT 177
Schwache und zitternde Stimme. HT 178
Appetit verloren, Kräftemangel, Hinfälligkeit, sie wird bettlägrig. HT 224
Beim Thiefathmen und Sprechen ist ihr, als ob sie sich nicht getrauen dürfe sich anzustrengen, wegen ausserordentlicher Schwäche der Respirationsorgane; sie spricht daher nur schwach und furchtsam. HT 635
Grosse Mattigkeit, besonders der Beine. HT 813
Im ganzen Körper wie zerrädert, alles empfindlich innerlich und äusserlich, und eine solche Schwäche, dass sie nicht aus dem Bette konnte. HT 814
Eine solche Mattigkeit, dass sie nichts in den Händen halten konnte. HT 815
Eine solche Schwäche, dass sie das Bette nicht verlassen konnte. HT 816
Gefühl von Schwäche im ganzen Körper, wie bei einem eintretenden nervösen Fieber. HT 817
Früh Schlaffheit und Lässigkeit in allen Gliedern,dass er viel länger im Bette verweilt als sonst. HT 818
Allgemeine Unbehaglichkeit im ganzen Körper. HT 819
Höchste Entkräftung und Abmagerung. HT 820
Die Kräfte sind sehr erschöpft. HT 821
Schwäche und Sinken der Kräfte. HT 822
Verschwinden der Kräfte. HT 823
Grosse Schläfrigkeit mit Mattigkeit, sie konnte sich nur mit Mühe des Schlafs erwehren, ohne Gähnen. HT 849
Sie schläft beim Spinnen ein, die Augen fielen ihr unwillkürlich zu, dann Beissen in den Augen. HT 850

19. Fallen
Erschrecken und Träume von Fallen. HT 866

20. Hirsch
Lebhafte Träume von Hirschen, Spaziergängen im Walde. HT 870

21. Gesellschaft
Träume von Gesellschaften, Kochen usw. HT 871
Träume von Zänkereien. HT 873

22. Traum vom erhobenen Bett
Erscheinung des nachts, halbwachend; sie hörte im Zimmer leise gehen, es klopfte dann unter dem Bette und hob das Bett in die Höhe. HT 874

23. Würgegriff
Erscheinung. Um Mitternacht, als sie wachend die rechte Hand auf der linken Achsel liegen hatte, ergreift ihr etwas die Hand und biegt sie etliche Mal auf und ab, dann däuchet ihr, als wenn sie Jemand mit zwei eiskalten Händen beim Halse fasste. HT 875

24. Alle sieben Tage
Die Zufälle scheinen sich, ausser den Harnbeschwerden, alle sieben Tage zu erneuern. HT 947

25. Elendes Aussehen
Fahle Gesichtsfarbe. HT 136
Gelbe Gesichtsfarbe und Gilbe der Augen. HT 137
Sehr elendes blasses Aussehen. HT 138
Höchst elendes Aussehen. HT 139
Krankhaftes Aussehen, verfallenes, blasses Gesicht. HT 140
Eingefallenes, hippokratisches Gesicht. HT 141
Totenähnliches Aussehen während und nach den Schmerzen. HT 142
Die Physiognomie war das Bild des Schreckens und der Verzweiflung. HT 143

26 Schwatzen
Hitze mit Durst und Röthe über und über; er schwatzte viel im Liegen, Sitzen und Gehen, ohne Zusammenhang, von seinen Geschäften und von Leuten, die längst schon tot waren. St 109

27. Wichtig
Früh Ängstlichkeit, als wenn man etwas Wichtiges erwartet. St 114

28. Mangel an Selbstvertrauen, Verzagtheit
Innere Ängstlichkeit, mangelndes Vertrauen zu sich selbst, wie Hypochondrie. St 116
Äusserste Verzagtheit und Kleinmütigkeit: sie sagt, sie müsse sterben. HT 1
Unbeständigkeit. HT 2
So verdrossen, bang, weinerlich. HT 3
Alles ergreift ihn tiefer als sonst, so dass er sehr weinen muss. HT 4
Schwermütig und bang nach dem Mittagessen, bald vergehend. HT 8
Bangigkeit, die von Augenblick zu Augenblick zunimmt. HT 9
Grosse Angst. HT 10

29. Wie ein toller Hund
Ausstossen eines fürchterlichen Geschreis, gleich dem Bellen. HT 6
Rasendes Delirium mit Schreien, Bellen und Beissen; Verwirrung des Kopfes, ängstliche Unruhe; kalter Schweiss, vor allem an Händen und Füssen. He 1.10

30. Furchtbare Schmerzen
Schneidendes Stechen im Kopfe, was sie aus dem Schlafe weckte. St 6
Jammern und Winseln vor entsetzlichen Schmerzen. HT 7
Sehr ärgerlich, reizbar, während der Schmerzen. HT 20
Reissen und Stechen im rechten Warzenfortsatz, dass sie glaubte, es müsse ihr das Bein herausreissen; sie musste schreien. HT 123
Die heftigsten Schmerzen im Magen, im ganzen Unterleibe, in den Nieren, im ganzen Leibe. HT 274
Die wüthendsten Schmerzen des Magens, des Unterleibes, der Nieren, ja selbst des ganzen Körpers — von 12 spanischen Fliegen. HT 275
So heftige Schmerzen in der Magen- und Nabelgegend, dass der Kranke sich im Bette hin und her warf, mit den Händen gegen die Mauer schlug, und den Kalk aus den Wänden kratzte. HT 276
Schmerzhaftes Drücken im Magen, das von beiden Seiten rückwärts in die Rückenwirbelsäule geht, wo es sie dünkt, als wäre sie zusammengeschraubt; in allen Lagen lange anhaltend. HT 278
Im Magen Gefühl wie Zusammenschrauben, sehr schmerzlich; vor dem Mittagessen. HT 283
Unausstehliche Schmerzen in den Lenden, Nieren und dem ganzen Bauche. HT 307
Schmerz in den Lenden, Nieren und im ganzen Bauche, mit so schmerzhaftem Harnen, dass er ohne Heulen und Schreien nicht einen Tropfen Harn lassen konnte — von einem ans Knie gelegten Spanischfliegenpflaster. HT 308
Ein Paar sehr heftige Stiche in die rechte Nierengegend, dass sie hätte schreien mögen. HT 316
Ungeheure Schmerzen im Hypogastrium. HT 323
Ungeheurer Leibschmerz bis zum Tode. HT 327
Ungeheuer schneidende Schmerzen im Unterbauche, die beständig hin und her ziehen, und nur kurze Zeit aussetzen. HT 337
Entsetzlich schneidende Schmerzen von Abends 5 Uhr bis früh, sie musste sich herumkugeln. HT 338
Heftig schneidender Bauchschmerz und bohrende Schmerzen in den Knieen, dass sie laut schrie. Kampher bewirkte keine Linderung, auf Kaffee erbrach sie bittern Stoff, worauf es im Mund bitter blieb. Durch öftern Kampher kam endlich Erleichterung der unausstehlichen Schmerzen. HT 339
Abends 8 Uhr überfiel sie ein so heftiger schneidender Schmerz im Mastdarm, wie sie Zeit-Lebens nicht erlitten, im Stehen und Gehen: dann Abgang einer Blähung mit Erleichterung, aber gleich darauf kam der nähmliche Schmerz und Drängen zu Stuhl, dann weicher Stuhlabgang mit Aufhören des Schmerzes. HT 415
Immerwährender Harndrang mit unerträglichem Schmerz. HT 457
Vor, während und nach dem Harnen grausam schneidende Schmerzen in der Harnröhre; sie musste sich zusammenbeugen und schreien vor Schmerzen. HT 535
Brennen bei dem Harnen so heftig, dass er ohne Thränen und Blut keinen Tropfen Harn lassen konnte. HT 551
vgl. HT 270-273, 324, 424

31. Ziehen an den Haaren
Schmerzhaftes Reissen auf dem Scheitel, mit Gefühl, als zöge Jemand ein Büschel Haare in die Höhe. HT 53

32. Trübheit des Gesichts, Schliessen der Augen
In der freien Luft läuft ihm Wasser aus den Augen; er muss sie zu machen; wenn er sie aufmacht, schmerzen die Ränder der Augenlider wie wund , wie rohes Fleisch. St 11
Trübheit des Gesichts, er konnte beim Schreiben die Stelle nicht sehen, worauf er seine Augen richtete- dann Kopfweh. St 12
Trübheit des Gesichts; er muss die Augen sehr anspannen, wenn er recht sehen will; in Nähe und Ferne. St 13
Beim Gehen im Freien Schwindel mit schnell vorübergehenden Anfällen von Bewusstlosigkeit, wobei es ihm wie Nebel vor den Augen war, in 1/2 Stunde mehrmals wiederkehrend. HT 36
Drücken in den Augen, so dass die Augenlider zufallen. HT (25)
Die Augenlider mehr geschlossen als sonst, er macht kleine Augen. HT (29)

33. Nasenspitze
Früh 3 Uhr Schmerz oben auf dem Nasenrücken, so dass er glaubt, er habe sich gedrückt; dann Spannen und rosenartige Entzündung und Geschwulst vom Nasenrücken zu beiden Seiten herunter an den Wangen, besonders rechts, wie starke Wangenröthe, unter dem Fingerdrucke weiss, dann schnell wieder roth, härtlich anzufühlen. Sie stieg noch den folgenden Tag und nahm den 3. Tag ab; dann geringe Abschuppung. Nach einigen Wochen ohne merkbare Veranlassung eine ähnliche Entzündung, besonders auf der rechten Oberlippe, den Seiten der Nase und der Nasenspitze. HT 114
Entzündung der Nasenspitze. HT (41)

34. Salz in den Augen
Beissende Empfindung in den Augen, wie von hineingefallenem Salze. HT 95
vgl St 10

35. Gelb
Alles, was sie ansieht, ist gelb. HT 100
Gelbe Gesichtsfarbe und Gilbe der Augen. HT 137
Sehr kalte Hände, die gelblicht aussehen. HT (142)

36. Ekel
Übelkeit und Ekel beim Essen. St 22
Aufstossen mit Geschmack des Genossenen, nach dem Mittagessen. HT 221
Schlucksen. HT 222
Kein Verlangen nach Speisen. HT 223
Abscheu vor Getränken. HT 236
Gewaltiger Widerwille gegen Getränke: er stiess sie von sich, sobald sie ihm gereicht wurden. HT 237
Ekel und Verdriesslichkeit. HT 249
Immerwährender Ekel und Brecherlichkeit. HT 250
Ekel mit häufigem Wasserzusammenlaufen im Mund. HT 251
Brecherlichkeit und Ekel vor Allem. HT 253
Stinkender und ekelhafter Geruch. HT 785

37. Übertriebene Sexualität
Die Nächte starke Erektion, während es in der ganzen Harnröhre wie zusammenziehend und wund schmerzte. St 42
Die männliche Ruthe ist geschwollen. St 46
Nächtliche Samenergiessung. St 67
Nächtliche Ruthensteifigkeit. St 68
Wüthende Geilheit. HT 574
Unmässige Geilheit, und unersättliche Begierde zum Beischlaf. HT 575
Furchtbare Satyriasis. HT 576
Die heftigste Satyriasis. HT 577
Anhaltende Steifheit der Ruthe mit etwas schmerzhaftem Gefühle. HT 579
Heftigster Priapismus mit grausamen Schmerzen. HT 584
Hartnäckiger und schmerzhafter Priapismus. HT 586
Er übt in einer Nacht 40 mal den Beischlaf aus. HT 588
Er übt binnen zwei Nächten 87 mal den Beischlaf aus. HT 589
Der Same entgeht ihm während eines kurzen Zeitraums 3 mal, unter wollüstigen Bewegungen, als übe er den Beischlaf aus. HT 591
Wollüstige Träume. HT 872
Grosser Liebesdrang; wilde Verliebtheit. He 1.17
Schrankenloses, rasendes sexuelles Verlangen. He 1.18
vgl. HT 572, 573, 578, 580-583, 585, 587

38. Stockung
Der Harn geht nur tropfenweise ab. St 40
Bei jedem Unrinieren ist vorn in der Harnröhre in der Spitze der Eichel die Empfindung, als wenn da der Harn stockte und anhalten wollte und nicht raus könnte, ein drückender Schmerz an dieser Stelle; der Harn geht aber demungeachtet ungehindert heraus. St. 50
Wenn es ihn zum Urinieren treibt, so geht ein drückend stechender Schmerz im Blasenhalse voran, und so gehn beim beständigen Drängen dennoch nur einige Tropfen Urin ab. St 54
Wenn er das Wasser lässt, nöthiget es ihn zugleich auf den Stuhl zu gehen und es gehet doch nichts; dieser Drang zum Stuhle hört aber auf, wenn der Urin aus der Blase abgelaufen ist. St 71
Erschwerte Stuhlausleerung; er muss viel stärker pressen als sonst, und wird doch nicht hinreichend Stuhl los. HT 374
Stuhlgang hart, und nur durch Pressen, dass sie hätte schreien mögen. HT 376
Verhaltung des Harns, wovon nur selten nach der heftigsten Anstrengung einige Tropfen abgingen. HT 439
Die Harnabsonderung in den Nieren schien ganz aufgehört zu haben, denn der in die Blase gebrachte Katheter leerte keinen Harn aus. HT 440
Harnunterdrückung wegen zu grosser Anfüllung der Blase und daher entstandenem Unvermögen, den Harn zu lassen. HT 443
Starkes Drängen zum Harnen, mit Unvermögen denselben zu lassen. HT 446
Es ist ihr, als wollte es ihr aufstossen, aber es kommt nicht dazu. HT (68)
Vollheitsgefühl mit Drücken im Magen, als ob es ihm aufstossen wollte, ohne dass es dazu kommt. HT (78)
vgl. HT 401-405, 437, 438

39. Vollheitsgefühl
Ein ungemeines Vollheitsgefühl in der Magengegend, was mit Angst und Unruhe verbunden ist. HT (79)

40. Harnkontrolle
Indem er danach geht den Harn zu lassen, kann er nur mit grosser Mühe einigen Abgang desselben verhindern. HT 455
Eine Art Lähmung des Blasenhalses: der Urin fliesst ab, ohne dass man die mindeste Kraftäusserung dazu nöthig hat; dieser Zufall erhielt sich längere Zeit und nahm allmählig in so weit zu, dass der Urin ohne Drängen fast nicht gehalten werden konnte. HT 494

41. Blutharnen
Mit dem Harn gingen erst blutige Fasern dann schwärzliche, geronnene Blutklumpen, und endlich häufiger Schleim ab. HT 507
Urin mit Blut und Schleim gemischt — noch unter Kampher-Gebrauch — mit grossen Schmerzen. HT 508
Urin in 1 1/2 Stunden kaum 1 1/2 Nösel mit geronnenem Blut. HT 509
Urin mit Blut ohne Schmerzen. HT 510
Blutiger Harn, der mit grossen Schmerzen und nur tropfenweise abgeht. HT 512
Heisser und blutiger Urin. HT 513
Der Urin war sehr roth und mit kleinen schwarzen Häutchen bedeckt. HT 515
Nur einige Tropfen Blut dringen aus der Harnröhre und dem Mastdarme nach den gewaltsamsten Anstrengungen hervor. HT 522
Blutharnen bis zum Tode. HT 527
Blutharnen, Konvulsionen und Tod — von Anwendung einer Salbe, die Kanthariden enthielt, bei einem Mädchen. HT 528
Blutfluss aus der Harnröhre; es gingen in kurzer Zeit 5 Pfund Blut ab. HT 529
Blut geht aus steifer Ruthe und dem After ab. HT 530
vgl. HT 511, 514, 516-521, 523-526, 531-534

42. Blutiger Stuhl
Häufige Stuhlausleerungen, die oft bluthaltig sind. HT 397
Durchfall, ähnlich dem der rothen Ruhr. HT 398
Reines Blut geht beim Stuhlgang und beim Harnen fort. HT 399

43. Bergsteigen
Beim Bergsteigen wollte ihm der Athem wegbleiben; es kochte ihm auf der Brust; es ward ihm übel. St 82

44. Berührung
An der Hinterbacke eine grosse Blüte, bei Berührung (brennend) schmerzend. St 89
Die Wutanfälle und die Konvulsionen erneuern sich durch Berührung der Kehle, durch Druck am Unterleibe in den schmerzhaften Gegenden, durch den Anblick des Wassers und der Bouillon. HT 31
Wutanfälle werden wieder ausgelöst durch den Anblick von blendenden, leuchtenden Dingen oder durch Berührung des Kehlkopfes, beim Versuch Wasser zu trinken. He 1.12
Wenn man die Hand auf die Nabelgegend legte, zogen sich die Bauchmuskeln zusammen, der Unterleib schien in der Mitte verschwunden, und die rechten Bauchmuskeln, die so steif wie eine gespannte Darmseite waren, schienen am Rückgrat zusammengefügt. HT 354
Äusserste Empfindlichkeit des Bauches bei Berührung. HT 355
Äusserste Empfindlichkeit der Brust bei Berührung. HT 681
Kniee und Unterschenkel können das Berühren kaum erleiden. HT 749
Reissen und Stechen vom rechten Fusspanne herauf bis zur Mitte des Oberschenkels; als es da aufhörte, riss es in der linken Kopfseite, und da es auch da aufhörte und die Stelle berührt wurde, folgte wieder ein Riss. HT 767
Bläschen zwischen Kinn und Lippen und an der Stirne, 24 Stunden dauernd, bei Berührung brennend. HT 794
Ein kleines Blütchen an der rechten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger — vorher Kitzeln an dieser Stelle — beim Befühlen brennend. HT 801

45. Blähung mit Ausbeulung wie von Schwangerschaft
Blähungen gehen im Leibe herum und treiben Beulen auf wie von einem Kinde. HT 368

46. Reiben
Schmerzhaftes Reissen in dem rechten Warzenfortsatz unter dem Ohr, wie mit einem Messer, durch Reiben nicht vergehend, zugleich Kopfschmerz vorn in der Stirn, wie Schwere. HT 124
Heftiges, schmerzhaftes, jähes Reissen in dem rechten Warzenfortsatz bis in das Ohrläppchen, und zugleich Stechen ins Ohr, öfters, durch Reiben vergehend. HT 125
Kitzeln und Beissen in der Haut des linken äussern Oberarms, durch Reiben vergehend. HT 722
Reissen am innern Rande der rechten Hand nach dem kleinen Finger zu. Durch Reiben vergehend. HT 730
Reissen in den rechten Zehen nach der Spitze zu, nach Reiben vergehend; es kommt dann in den rechten äussern Fussknöchel, durch Reiben vergehend. HT 771
Durch starkes Reiben mässigen sich die Schmerzen an den Beinen. HT 773
Auf dem Rücken des linken Fusses, eine Geschwulst, die brennt, was beim Reiben aufhört. HT (132)

47. Loses Fleisch
Gleich über dem Fussgelenke am Schienbeine, als wenn Fleisch und Haut von den Knochen los wäre; beim Anfühlen unbemerkbar. St 97
Reissen so heftig, dass es ihr däuchet, als würde das Fleisch mit Gewalt von beiden Waden losgerissen, unausstehlich. Durch Reiben nicht vergehend und lange dauernd. HT 762

48. Trockenheit
Gefühl von Trockenheit in den Gelenken der Arme und Untergliedmassen. St 99
Trockenheit im Munde. HT 188
Auffallende Trockenheit in Mund und Nase. HT 189
Trockenheit im Munde und heftiger Durst. HT 190
Trockenheit im Schlunde, so dass es bisweilen daselbst davon sticht. HT 191

MIASMATISCHE DYNAMIK — SEKUNDÄRE PSORA


"Moral und Religion als Hauptinteressen sind Notstandszeichen", so lautet ein Aphorismus von F. Nietzsche (Ed. Schlechta III, S. 772).
Cantharis erscheint als ein wertkonservativer Mensch, der sich vor Veränderungen fürchtet. Stattdessen setzt er aufs Bewährte, auf die Routine. Er versucht, den Dingen und Lebensumständen etwas Dauerhaftes zu geben, er kann dabei fundamentalistisch und starr gewissen Idealen folgen, die ihm fest und gültig erscheinen. Ewige Werte, anerkannte Idole werden götzenhaft verehrt. Er hat Furcht vor allen Abbrüchen oder Sprüngen seiner Lebensordnung, er bevorzugt stetige Kontinuität, ist ein eher häuslicher Typ bis hin zur Spiessigkeit, der sich nicht auf fremdes Terrain begibt. Er fängt ungern neue Projekte an, ihm ist fast ebenso unwohl beim Gedanken an Schwangerschaft und Geburt wie beim Gedanken an Krankheit und Tod. Furcht vor Wandel schliesst Furcht vor Vernichtung ebenso ein wie Furcht vor Neuanfang. Er wehrt sich gegen alle Stadien des Wandels: Reife, Initiation, Taufe, Erneuerung. Ein Kind kann sich nicht von seinem Spielzimmer trennen, ein Mädchen mag nicht Schulanfängerin sein, ein junger Mann drückt sich vor der Tanzstunde, eine Studentin wechselt unter keinen Umständen das verhasste Studienfach, etc. Auch eine Hemmung zu vollenden, d.h. etwas zu Ende zu bringen, fällt darunter: der Abschluss einer Arbeit, ein Examen oder eine Prüfung. Dabei geht es aber v.a. um den anschliessenden Neuanfang.

MIASMATISCHE DYNAMIK — TERTIÄRE PSORA


Egotrophie
Alles ist hell und ideal, d.h. alles ist gut so, wie es gerade ist. "Das Bessere ist der grösste Feind des Guten". Cantharis hält nichts vom Wandel der Werte oder des Wissens, wie er z.B. im Fortschrittsglauben zum Ausdruck kommt. Er ist äusserst ausdauernd im Erhalten dessen, was ihm wertvoll ist. Ein Konservator alter Kulturgüter, ein Tierpräparator, der den körperlichen Zerfall vergessen lassen will, ein Chirurg, der das faltige Gesicht liftet, oder ein Autoliebhaber der Oldtimer restauriert: immer geht es um die Instandhaltung, um das Aufhalten des natürlichen Vorgangs der Alterung oder Verwandlung. Er gibt sich leistungsfähig, unerschöpflich und voll jugendlichen Elans.
Ein Beispiel bietet der Film "Point Blank" mit Lee Marvin: Lee spielt einen Ex-Sträfling, der von seinen Komplizen an die Polizei verraten und um sein Geld betrogen wurde. Aus dem Gefängnis heraus will er nichts weiter als sein Geld wiederhaben. Dies betreibt er mit unbeugsamen Willen, nichts hält ihn zurück. Er legt sich sogar mit einem allmächtigen Gangstersyndikat an. Nur einmal reagiert er irritiert: Als ein Mafiaboss, den er mit vorgehaltener Pistole zur Rede stellt, erklärt, seine Vorstellungen von einem Verbrechersyndikat seien längst passé, weil solche Organisationen mittlerweile wie Bankunternehmungen organisiert seien. Er fängt sich jedoch gleich wieder und kehrt zur alten Forderung zurück: "Wo ist mein Geld?" Das Bestehen auf Abmachungen und traditionellen Werten (Gangster-Kodex), sowie dieser nie nachlassende Wille sind typische Cantharis-Eigenschaften.
Eine zweite Variante der Egotrophie ist die Wiederholung seiner Anmassung, etwas Neues (das Prinzip des Wandels) aus dem Nichts zu schaffen: Cantharis ist dann ein Umstürzler, jemand, der erneuern will. Im Alltäglichen kann das ein Mensch sein, der neue Trends aufspürt, mal gehört er zur Skateboardszene, dann wird er Wagnerfan, dann Makrobiot etc. Er wechselt die kulturellen Codes wie ein Chamäleon, mit ganzem Einsatz und mit dem Ehrgeiz und dem Gespür, darin erster zu sein. Er ist jemand, der alte Regeln durch neue ersetzt und dann die neuen Spielkarten verteilt. Ein Hang zum Theater bestimmt ihn: Leben heisst Drama, heisst Kampf und Vernichtung, Zerstörung ist Wiedergeburt. Neues schaffen heisst, Altes abzuschütteln. Cantharis glorifiziert das Junge, das Starke und Frische. Für ihn zählt die Freude, die aus der Kraft des eigenen Willens erwächst. Dieser Lebenswille ist eine vitale Energie, die sich allein auf sich selber gründet. Wendet er sich gegen ethische Konventionen, dann ist er ein Kulturrevolutionär, für den alle Anhänger alter Werte Verbrecher sind. Diese Traditionalisten sind Kriminelle für ihn und gehören eingesperrt oder vernichtet.
Oder er sprengt die Ordnungen der Tugend: Er schockiert die Umgebung mit Obszönitäten, er inszeniert sich als Enfant terrible und Bürgerschreck. Seine Motive sind triebhaft oder gehorchen einem vitalen Lebensimpuls. Er betont die dunklen, finsteren Aspekte des Lebens, diejenigen, die sich der Vernunftbestimmung entziehen. Es geht um das Flüchtige, das Aktuelle und Reale, die Tragik des rohen, hässlichen Momentes. Er beschreibt die Welt mit schonungslosem Blick, nichts soll beschönigt oder verklärt werden. Das alles wird aber lustvoll betrieben: Cantharis feiert endlose dionysische Feste, versucht alle möglichen Drogen und lebt in Rausch und Emphase. Er ist in dieser Phase ein extrovertierter, theatralischer Typ, der sich umfangreichen Ausschweifungen hingibt; zu diesem Zweck schreckt er vor keinen Gewalttätigkeiten zurück, er nimmt sich, was er will.
Ein Beispiel für diese Reaktionsform wird von Robert De Niro im Film "Cape of Fear" verkörpert. Es handelt sich um eine Rachegeschichte: Der Analphabet und Gewalttäter verfolgt darin seinen Ex-Pflichtverteidiger, der ihn verraten und ins Gefängnis gebracht hat, weil er entlastendes Material zurückhielt. De Niro bringt sich in der Haftzeit mit eiserner Disziplin das Lesen bei, studiert Recht, wird im Gefängnis Anwalt und entdeckt den Verrat beim Studium seiner eigenen Akten. Die Revision seines Falles, die er als sein eigener Anwalt selbst betreibt, scheitert. Aus dem Gefängnis entlassen, beginnt er einen systematischen und überaus raffinierten Terrorfeldzug gegen die heile Familienwelt seines Ex-Anwaltes. De Niro verhält sich dabei so hartnäckig wie ein Hund, der nichts anderes will als seinen Widersacher beissen. Die Ergebnisse dieses Feldzuges bezeichnet sein Ex-Anwalt später — nun selber auf der Flucht — als "übergesetzlichen Notstand", als Installation eines aussergesetzlichen Raumes also. De Niros bevorzugte Lektüre, so zeigt ein langsamer Kameraschwenk zu Beginn, sind Bücher des sowjetischen Diktators Josef Stalin und Werke "des verrückten deutschen Philosophen" Friedrich Nietzsche.

Egolyse
Den Zustand des egolytischen Cantharis-Menschen kann man gut mit dem Wort ErSchöpfung benennen. Sein Schöpferwille hat sich verbraucht, oder seine Versuche, sich mittels Unterwerfung unter das Diktat der Konvention gegen den Lauf des Weltwandels zu stellen, sind gescheitert: Die Welt ändert sich täglich und er verliert jede Übersicht; Moden, Trends, neue Techniken und Medien überfordern ihn.

Alterolyse
Der alterolytische Cantharis-Mensch verfolgt all diejenigen, die sich nicht den guten Sitten unterwerfen, er wird zum Moralapostel und Philister. Er verteidigt traditionelles Wissen als die unverrückbare Weisheit der Alten gegen den vernichtenden Sog des Wissensfortschritts. Z. B. verteidigt er die Alchemie (oder die Homöopathie...) wütend gegen die Konkurrenz der modernen Chemie, weil er sie für ein abgeschlossenes, stabiles Wissenssystem hält. Was zählt, sind die überlieferten Werte und das alte Wissen, aber die heutige Welt tritt diese mit Füssen.

LEITMOTIV — PRIMÄRE PSORA


Das zentrale Leidensmoment von Cantharis dreht sich um die Begriffe Entstehung, Werden und Wandel. Alles, was existiert, ist einem (aktiven oder passiven) Prozess unterworfen und bewegt sich in allgegenwärtigen Kreisläufen von Ursprung und Endziel, Geburt und Tod, Erzeugung und Zerstörung. "Alles was ist, ist wert, dass es vergeht" — damit kann Cantharis sich nicht abfinden. Jeder Wiederanfang ist eine Last, denn er bedeutet, von vorne beginnen zu müssen. Jede Vollendung stellt zugleich einen Untergang dar und verlangt einen neuen Start, Cantharis kann darum mit nichts fertig werden. Statt etwas Neues zu erschaffen, setzt er lieber auf Bewahrung von Altbekanntem, hält die Dinge auf mittlerem Weg zwischen Beginn und Abschluss. Er hat eine Vorliebe für solide, haltbare Dinge. Nicht etwa, weil er sich aus Geiz nicht von seinem Eigentum trennen könnte, sondern aus Neigung zu ewig gültigen, zeitlosen Formen. Das betrifft nicht nur alltägliche materielle Gegenstände, sondern alle Lebensbereiche. Er ist ein Tugendbewahrer, ein Archivar des gesammelten Menschheitswissens oder ein Design-Freund der guten Gebrauchsform. Er will das Vergängliche, das Moment des eingebauten Verschleisses in allem nicht wahrhaben. Stattdessen betont er das Immergleiche, Beständige einer Sache oder Idee. Seine Beziehungen zu Freunden und Verwandten, seine Anschauungen und Ideen, alles ist gekennzeichnet von Kontinuität und vom Zwang, Wandel und Neuanfang auszuschliessen.

Transzendenter Wert
In der thomistischen Ontologie (der Lehre vom Seienden, sofern es ist) gilt: Gottes S e i n ist sein Wesen. Das heisst, dass Gottes Sein Ursprung alles Seienden in der Welt ist. Alles Seiende hat sein Sein ursprünglich vom Sein Gottes. Thomas verbindet seine Ontologie eng mit der christlichen Schöpfungslehre, der Lehre der Erschaffung aus Nichts. Seitdem Gott die Welt aus dem Nichts schuf, hat alles Seiende (unvollkommenen) Anteil am ewigen Sein Gottes. Man muss aber, um Thomas dabei folgen zu können, unterscheiden zwischen der Entstehung eines für sich bestehenden Einzeldinges und dem Sein selber. Ein werdendes Einzelding entsteht nur als d i e s e s bestimmte Einzelding und nicht als etwas unbestimmt Seiendes. Die Hervorbringung eines Lebenden aus einem anderen Lebenden zielt nicht auf die Hervorbringung des Lebens überhaupt, sondern auf die Hervorbringung dieses konkreten Lebenden. Das bedeutet, dass das S e i n der Dinge vorgängig zu allen konkreten, so und so gearteten Dingen ist.
Allein Gottes Schöpfung insgesamt, und speziell die Emanation (Hervorbringung) des Urstoffes, welche notwendige Bedingung dafür ist, dass die Welt wurde, liess etwas entstehen, das in keiner Hinsicht schon früher war. Hier steht das neu erschaffene Sein dem vorherigen Nichts entgegen.
Cantharis neidet Gott die Erschaffung des Urstoffes aus dem Nichts: Der Urstoff ist in dem von der Wesensform durchdrungenen und damit geformten Körper als reine bestimmungsbedürftige Seinslage etwas zum Wesen der Welt und der Körper Gehöriges. Der Urstoff ist in diesem Sinne (in der thomistischen Ontologie) das allgemeinste Prinzip der Vergänglichkeit und der Fähigkeit, im Wesen verändert zu werden.

Menschliche Daseinsbedingung
Der Mensch sieht sich und seine Umgebung von einem steten Wandel geprägt. Die am meisten dem Wandel unterworfene Beschaffenheit ist die stoffliche Grundlage aller geschaffenen Dinge: Sie ist das bestimmungsbedürftige Element im Körper, ein für sich bestehendes reines Vermögen. Die Vergänglichkeit der sinnfälligen Dinge und ihre Verschiedenheit gründen in der Veränderlichkeit der stofflichen Grundlage aller Dinge. Insofern ist die Materie für Thomas das erleidende Prinzip, im Gegensatz zum bestimmenden Prinzip der Wesensform. Der Urstoff ist aber elementare Voraussetzung für die Erschaffung eines jeden Seienden. Insofern kann man sagen, dass die Hervorbringung eines jeden Dinges (im aktiven Sinne als Machen, im passiven als Werden) immer nur Aktualisierung der Veränderlichkeit und Bestimmbarkeit des Urstoffes ist, des bleibenden Prinzips der Veränderung und des Wandels. Gott, dessen Wesen überzeitliches Sein ist, hat mit dem Urstoff das Prinzip des Wandels und der Vergänglichkeit in die Welt gebracht, ein Prinzip, das seinerseits überzeitlich ist.

Kerne

Schuld
Cantharis will die endgültige, nicht weiter bestimmbare Form erschaffen, das unveränderliche, vollendete Werk. Oder aber er sucht den Gegenstand, der so bleibt wie er ist, sich keinem Werden und Wandel unterwirft. Cantharis will das dynamische Prinzip des Werdens anhalten, den Verfall einfrieren und dem Unbestimmten Bestimmung geben.

Verlust
Er verliert das Vertrauen in den Sinn des Wandels, der zyklischen Veränderungen. Er glaubt nicht an die vitalen Kräfte des wiedererwachenden Lebens.

Strafe
Veränderung ist Untergang und Zerstörung, es gibt keine Hoffnung auf Neubeginn. Er lebt in der Gegenwart von Toten.

INTERPRETATION einzelner Themen oder Symptome


Spaziergänge im Walde (Thema 20), Wie ein toller Hund (Thema 29)
Der Wald steht als Aussenwelt dem gerodeten (Kultur-)Land gegenüber (LdS.). Er wird von rätselhaften, meist bedrohlichen Wesen bewohnt (von wilden Tieren, aber auch von wilden Menschen wie den Satyrn). Solche Wesen verkörpern Gefahren, denen sich der Mensch im Zuge der Initiation (Reifeprüfung) zum vollständigen Menschen stellen muss. Im Traum zeigt der Wald den unbewussten Bereich an, einen Bereich ungeordneter Wildnatur. Tiefenpsychologisch gilt der Wald auch als Symbol für das unheimlich erscheinende Weibliche.
In den tollwutähnlichen Symptomen kommt ein roher, naturhafter Zug, der sich jeder kulturellen Überformung entzieht, noch stärker zum Ausdruck.

Hirsch (Thema 20)
Hirsche sind zunächst den Wald bevölkernde, gefährliche Wesen. Als Symboltier kommt der Hirsch in den verschiedensten Kulturen vor (LdS). Wegen seines baumähnlichen , sich periodisch erneuernden Geweihs gilt er als Symbol des sich immer wieder verjüngenden Lebens und der Neugeburt (Thema 9 !). In der altnordischen Mythologie äsen vier Hirsche in der Krone des Weltbaumes Yggdrasil. Dort fressen sie die Knospen (Stunden), Blüten (Tage) und Zweige (Jahreszeiten). Das Geweih wurde als Symbol der Sonnenstrahlen aufgefasst. In der Antike galt ein Amulett aus Hirschfell als Schutz gegen Schlangenbiss, Hirschhornpulver als Schutz des Saatgetreides gegen Schadenszauber. In Altchina verkleidete sich einer Fabel nach ein junger Mann in Hirschhaut, um Hirschmilch als Heilmittel gegen die Augenkrankheit (Thema 32!) seiner blinden Eltern zu gewinnen. In der christlichen Symbolik gilt der Hirsch als Bild der lauteren, sich reinigenden Seele. "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, nach Dir." (42. Psalm Davids) Sein Streben zu den Quellen ist Sinnbild des Wunsches nach Reinheit durch die Kraft des Taufwassers. Der Hirsch heilt sich vom Gift der Schlange und erneuert sein Leben, indem er innerhalb von drei Stunden Quellwasser trinkt. Hirschfleisch selbst gilt als ein wirksames Heilmittel gegen Fieber.
In der Heraldik tritt der Hirsch in der Bedeutung der "Sanftheit und Gelindigkeit" auf. Sein Geweih demgegenüber gilt hier als Ausdruck der Stärke. Der "Gehörnte", d.h. der mit einem Geweih gekrönte ("betrogene") Ehemann, scheint in diesem Sinne ursprünglich ein Ehrentitel gewesen zu sein.
Die erste figürliche Abbildung eines Menschen in einem jungsteinzeitlichen Höhlenbild zeigt einen Schamanen, der ein Hirschgeweih trägt.
Auch in der Alchemie gilt der Hirsch im Zusammenhang mit der Verwandlung von Metallen als Symbol der Umwandlung.

Sieben Tage, Gelb (Themen 24 und 35)
Sieben zählt zu den bedeutendsten Zahlen der Symbolik (LdS). In der Johannes-Apokalypse spielt die Sieben eine grosse Rolle (sieben Gemeinden, sieben Hörner des Drachen, sieben Schalen des Zorns im Buch der sieben Siegel). Mit der Zerstörung durch göttlichen Zorn hat auch eine berühmte Szene aus dem alten Testament zu tun: Sieben Priester mit sieben Widderhörnern umkreisen sieben Tage lang die Mauern von Jericho. Am siebten Tag "zogen sie siebenmal um die Stadt" und im Kriegsgeschrei der Israeliten stürzten die Mauern ein (Josua 6,6-20). Im altpersischen Parsismus wurden sieben unsterbliche Heilige verehrt. Dies Motiv findet man im europäischen Mittelalter in den sieben Tugenden, den sieben Lebensaltern des Menschen, etc.
Siebenmal sieben Tage spielen im Totenkult eine Rolle, indem an jedem siebenten Tag nach einem Todesfall (bis zum 49. Tag) Opferfeiern stattfinden. Das Tibetanische Totenbuch beziffert ebenso die Anzahl der Tage, die die Seele des Verstorbenen im Bardo verbringt, mit 49. Die Zahl Sieben bezeichnet eine Art Warteschleife für die Wiedergeburt.
Auf Fruchtbarkeitsriten zurück geht der Brauch, am siebenten Tag des siebenten Monats ein Fest für junge Frauen auszurichten.
Ostern, das christliche Fest der Wiederauferstehung, liegt sieben mal sieben Tage, also sieben Wochen, vor Pfingsten.
Dem siebten Tag, dem Sonntag, ist in der Wochentagsreihe die Sonne als Planet zugeordnet. Genau wie der Sonntag als letzter Wochentag Ausdruck eines sich ewig erneuernden Zyklus ist, ist der Sonne, neben anderen Bedeutungen, immer wieder diejenige der Wiederauferstehung und Unsterblichkeit zugeordnet worden. Die ihr zugeschriebene Farbe ist Gelb (!), bzw. das Metall Gold.

Tote (Thema 7)
Zu den Seelenführern und Totengeleitern zählt der ägyptische Gott Anubis und der auf frühchristlichen Ikonen ebenso hundsköpfige (Thema 29!) Christophorus.

Zedernpech (Thema 14)
Die Zeder (LdS) ist ein wegen ihrer Haltbarkeit geschätzter Baum. Der Wappenbaum des Libanon wurde schon früh ins holzarme Niltal exportiert. Wegen seines aromatischen Harzduftes geschätzt, diente er u.a. zum Bau von Mumiensärgen. Die Mumifizierung und Einbalsamierung (also Konservierung) des Leibes ist Ausdruck der Hoffnung auf Wiedergeburt. König Salomo verwendete Zederholz zum Bau des Tempels in Jerusalem. "Der Gerechte wird wachsen wie eine Zeder im Libanon" sagt der Psalm 92,13.
Die Dauerhaftigkeit des Zedernholzes wurde immer symbolisch umgemünzt: "Die Zeder fault nicht. Die Pfosten unseres Hauses aus Zedernholz zu machen heisst, die Seele vor der Verderbnis bewahren." Ebenso wie Zedernholz gilt das Fleisch Christi als unverweslich. Nur der göttliche Zorn ist stärker als dieser Nadelbaum: "Die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern." (Psalm 29,2).

Kreislauf und Neugeburt (Themen 9, 45)
Bekannt ist das buddhistische und hinduistisch Samsara. Dabei handelt es sich um einen ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen.
Im griechischen Altertum gilt Dionysos, Gott der Vegetation, des Rausches und der Ekstase, als Verkörperung des Sterbens und der Wiederauferstehung. Dionysos ist Vater von Priapos (Thema 37!), Gott der Zeugungskraft und der üppigen Fruchtbarkeit. Aus dem Kultlied des Dionysos hat sich das Drama entwickelt. Dionysos Gegenpart im Olymp nimmt Apollon ein, der Gott des Masshaltens. Die antiken Mysterienkulte von Sterben und Wiederkehr leben in Märchen und Sagenwelt als Geschichten von Wiedergängern weiter, heute in der sogenannten Trivialliteratur, z.B. in Dracula- oder Zombiegestalt.
Die Ewige Wiederkehr des Gleichen ist ein Hauptsatz der Philosophie F. Nietzsches. Sein Leben und Werk gibt einen brauchbaren Schlüssel zum Verständnis von Cantharis: Der "Zarathustra" beginnt mit der Erzählung von drei Verwandlungen: "wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe." Der französische Philosoph G. Deleuze kommentiert: "Das Kamel ist das Tier, das trägt: es trägt die Last der etablierten Werte, die Bürden der Erziehung, der Moral und der Kultur. Es trägt sie in die Wüste und verwandelt sich dort in einen Löwen: der Löwe zerbricht die Statuen, tritt die Bürden mit Füssen und beginnt eine Kritik aller etablierten Werte. Endlich gebürt es dem Löwen, Kind zu werden, das heisst Spiel und neuer Anfang, Schöpfer neuer Werte und neuer Prinzipien der Wertschätzung." Die ewige Wiederkehr des Gleichen bei Nietzsche ist nicht ein stetes Wiederholen des Gleichen, sondern die stete Rückkehr der Wiederholung: nicht das Gleiche kehrt zurück, sondern allein die Rückkehr, also das, was man als das Viele, das Verschiedene und Werdende bezeichnen kann. In diesem Rahmen erst wird der Willensbegriff von Nietzsche verständlich: was immer ich will, ich muss es so wollen, als ob ich seine ewige Wiederkunft wollte. Es gibt kein autonomes Wollen, denn ein Wollen, das sich sagt: einmal, nur ein einziges Mal — denn nur so ist damit etwas Neues in der Welt.
"Ich bin ein Jünger des Philosophen Dionysos, ich zöge es vor, eher noch ein Satyr zu sein als ein Heiliger. (...) Das letzte, was ich versprechen würde, wäre, die Menschheit zu "verbessern". Von mir werden keine neuen Götzen aufgerichtet; die alten mögen lernen, was es mit tönernen Beinen auf sich hat. Götzen (mein Wort für "Ideale") umwerfen — das gehört schon eher zu meinem Handwerk. Man hat die Realität in dem Grade um ihren Wert (...) gebracht, als man eine ideale Welt erlog. (...) Die "wahre" Welt und die "scheinbare" Welt — auf deutsch: die erlogenen Welt und die Realität (...) Die Lüge des Ideals war bisher der Fluch über die Realität, die Menschheit selbst ist durch sie bis in ihre untersten Instinkte hinein verlogen und falsch geworden — bis zur Anbetung der umgekehrten Werte, als die sind, mit denen ihr erst das Gedeihen, die Zukunft, das hohe Recht auf Zukunft verbürgt wäre." (Ecce homo, Vorwort)

Das behinderte Denken (Thema 1)
"Es ist die Phase der Bescheidenheit des Bewusstseins. Zuletzt verstehen wir das bewusste Ich selber nur als ein Werkzeug im Dienste jenes höheren, überschaubaren Intellekts: und da können wir fragen, ob nicht alles bewusste Wollen, alle bewussten Zwecke, alle Wertschätzung vielleicht nur Mittel sind, mit denen etwas wesentlich Verschiedenes erreicht werden soll, als innerhalb des Bewusstseins es scheint. Wir meinen: es handle sich um unsere Lust und Unlust — aber Lust und Unlust könnten Mittel sein, vermöge deren wir etwas zu leisten hätten, was ausserhalb unseres Bewusstseins liegt. Es ist zu zeigen, wie sehr alles Bewusste an der Oberfläche bleibt: wie Handlung und Bild der Handlung verschieden ist, wie wenig man von dem weiss, was einer Handlung vorgeht: wie phantastisch unsere Gefühle "Freiheit des Willens", "Ursache und Wirkung" sind. wie Gedanken nur Bilder, wie Worte nur Zeichen von Gedanken sind (...)" (Ed. Schlechta, Bd. III, Aus dem Nachlass, S. 901)
Eine andere Weise, das behinderte Denken zu erklären wird im Kapitel G. ausgeführt: Cantharis neidet Gott die Erschaffung des Prinzips des zeitlosen Werdens, des Stoffes. Erleuchtung und geistige Worte sind bei Thomas Beispiele für zeitloses Werden. Cantharis wird also in diesem Punkt einen Verlust, eine Hemmung seiner Fähigkeiten erleben.

Der Schmerz und das Leiden (Thema 30)
"Das Leben selbst, seine ewige Fruchtbarkeit und Wiederkehr bedingt die Qual, die Zerstörung, den Willen zur Vernichtung. (...) Der tragische Mensch (der Typos des Dionysos) bejaht noch das herbste Leiden: er ist stark, voll, vergöttlichend genug dazu;" (Ed. Schlechta, Bd. III, S. 773)

ANDERE HYPOTHESEN


Bei Guy Loutan finden wir die Hypothese, dass Cantharis den Adel der reinen Zeugung und Erleuchtung neidet. Einen Zustand der ewigen schöpferischen Weisheit.

DIFFERENTIALDIAGNOSE


Staphisagria
neidet Gott die Reinheit des Schöpfungsaktes, ohne Beteiligung des "sündigen Fleisches".

THOMAS VON AQUIN


In der ST spricht Thomas in den Fragen 44 bis 46 über die Erschaffung der Welt durch Gott. Die scholastische Lehre von der Creatio ex Nihilo (Hervorbringung der Welt aus dem Nichts), für die es in der Bibel nur wenig Anhaltspunkte gibt, bekam ihr Gewicht v.a. als Gegenposition zu pantheistischen Gegnern. Gott und Urstoff mussten von Anfang an getrennt sein, wollte man die pantheistischen Konsequenzen einer solchen vorbestehenden Vermischung vermeiden.
Im Artikel 44 fragt Thomas nach den vier aristotelischen Ursachen für die Erschaffung der Welt: Wirk-, Stoff-, Form- und Zielursache. In 44.2 geht es speziell um die Stoffursache der Welt: "Ist der erste Stoff von Gott geschaffen?" Aus der Antwort: "Endlich erhoben sich einige bis zur Betrachtung des Seienden als Seienden, und betrachteten die Ursache der Dinge nicht nur, sofern sie diese oder so-beschaffene sind, sondern insofern sie seiende sind. Das also, was Ursache der Dinge ist, sofern sie seiende sind, muss Ursache der Dinge sein nicht nur, sofern sie so-beschaffen sind aufgrund von Eigenschaftsformen, noch auch sofern sie "diese" sind aufgrund von Wesensformen, sondern nach allem, was in irgendeiner Weise zu ihrem Sein gehört. So muss man annehmen, dass auch der erste Stoff von der allgemeinen Ursache der Dinge geschaffen ist." Der Urstoff wird bei Thomas (mit Aristoteles) als reine Möglichkeit, als empfangsfähiger Grund betrachtet. Es gibt in der Welt keinen von der Form ablösbaren Stoff und man kann umgekehrt auch die Materie nicht von der gestaltbildenden Wesensform abziehen. Insofern kann man Augustinus´ Spruch verstehen: "Zwei Dinge hast Du gemacht, o Herr, eines davon ist Dir nahe, das andere ist dem Nichts nahe", das ist der Stoff. Stoff und Nichts sind zum Verwechseln ähnlich.
In der Frage 45.2 "Kann Gott etwas erschaffen?" heisst die Antwort: "Es ist nicht nur nicht unmöglich, dass von Gott etwas erschaffen werde, sondern man muss notwendig annehmen, dass alles von Gott erschaffen ist, wie aus dem Vorausgeschickten sich ergibt. Denn wo immer jemand etwas macht aus etwas, da wird das, woraus er jenes macht, seiner Tätigkeit vorausgesetzt und nicht durch seine Tätigkeit selber hervorgebracht: wie der Künstler (seine Werke) aus Naturdingen herausarbeitet, aus Holz oder Erz, welche nicht durch die Tätigkeit der Kunst verursacht werden, sondern die Tätigkeit der Natur. Aber auch die Natur selbst verursacht die Naturdinge nur in Bezug auf ihre Form und setzt den Stoff schon voraus. Wenn also Gott nur in einem vorausgesetzten Stoff tätig wäre, so würde folgen, dass dieser vorausgesetzte Stoff nicht von Ihm verursacht wäre. Es ist aber schon gezeigt worden, dass im Bereich des Seienden nichts sein kann, was nicht von Gott wäre, welcher die allumfassende Ursache allen Seins ist. Darum muss man notwendig sagen, dass Gott die Dinge aus dem Nichts ins Sein gebracht hat."
Im Unterschied zu den Werken der Menschen (hier sind beispielhaft die Künstler angegeben), aber auch im Unterschied zur Natur setzt Gottes Schöpfung nicht einen zu behandelnden Urstoff voraus, dem dann nur noch die erwünschte Form gegeben wird. Auch der Urstoff muss, wie alles Sein, seinen Ursprung in Gott haben, und darum entstand laut Thomas die Creatio ex Nihilo, die Schöpfung aus Nichts.
In diesem Artikel führt Thomas auch ein Argument aus, das in unserem Zusammenhang interessiert: Gibt es so etwas wie zeitloses Werden? Thomas spricht in 45.2 in der Antwort auf den 3. Einwand zwei Beispiele für zeitloses Werden an: Das erste ist das Erleuchtet-Werden, das zweite ist die Ausbildung des geistigen Wortes, das zugleich im Geist geformt wird und geformt ist. In beiden Fällen handelt es sich um ein Werden, dass nicht Veränderung im Sinne von Aufeinanderfolge, oder bildhaft gesprochen im Sinne einer Bewegung ist. Ebensowenig geht es in diesen beiden Fällen von zeitlosem Werden um Änderung in der Beschaffenheit oder um Wachstum. Von daher rühren möglicherweise auch die Probleme von Cantharis beim Ergreifen seiner Gedanken. Da er die Zeitlosigkeit im Schöpfungsakt beneidet (das zeitlos Prinzip der Veränderung), verwehren sich ihm auch alle annäherungsweise vergleichbaren Erlebnismomente in seinem (verzeitlichten) Dasein.

ZUR SUBSTANZ


Cantharis, Lytta vesicatoria, die Spanische Fliege, gilt seit alters als Aphrodisiakum.
Bei Plutarch (LdS) findet man eine interessante, allerdings auf den Skarabäuskäfer gemünzte Äusserung: "Man nimmt an, dass diese Art von Käfern nur aus männlichen Tieren besteht, die ihren Samen in das Material ablegen, das sie zur Kugel formen. Diese rollen sie dann mit den Hinterfüssen weiter. Indem sie auf diese Weise den Lauf der Sonne nachahmen (...)"
Dies führte zur Ideenverbindung Kugel, Sonne, Selbstzeugung und Erneuerung. — Bei den alten Ägyptern war der Skarabäus als Grabbeigabe Symbol der Wiedergeburt und des ewigen Lebens. Auch in der frühen christlichen Mystik tritt der Skarabäus als Auferstehungssinnbild auf.

QUELLEN


Autor: Christoph Weihe, Materia Medica Homoeopathica – revidiert nach Dr. Alfonso Masi-Elizalde

St Stapf, Archiv für die homöopathische Heilkunst, Band 13/1, Leipzig 1833 S. 157 ff.
HT Hartlaub und Trinks, Reine Arzneimittellehre, Leipzig 1828, Neuauflage Hamburg 1991 S. 63, Symptomnummern in Klammer stammen aus dem angegliederten zweiten Band, S. 586 ff.
He Hering Constantin, The Guiding Symptoms of our Materia Medica, New Delhi 1989, Band 3
LdS Biedermann Hans, Lexikon der Symbole, München 1989
DTA Thomas von Aquin, Die Deutsche Thomas-Ausgabe, Band 4 Salzburg 1936, Nietzsche, Friedrich, Werke, Edition Karl Schlechta, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, Lizenzausgabe 1997
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