Entwicklungsgeschichte

Aus MasiWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.

Die "Post-Masianische" Aera ist längst angebrochen. Da Masi-Elizalde selbst keine Publikationen hinterlassen hat und sich sein Lehrsystem in manchen Punkten zwar als genial, in anderen aber als ebenso diskussionswürdig erwiesen hat, ist es heute nur noch möglich, den jeweils persönlichen Zugang zu dieser so genannten Methode zu deklarieren.

Welche Vereinfachungen wir im Verlauf unserer fünfzehnjährigen Arzneimittelstudien auf den Spuren Masi-Elizaldes vornahmen, sei im folgenden kurz dargestellt.

Thomas ade – ...

Als wir 1998 begannen, eine eigene Publikation der revidierten Arzneimittel zu planen, wagten wir den Schritt, uns nicht mehr auf das von Masi verwendete philosophische Gedankengebäude Thomas von Aquins zu beziehen. Wir versuchen heute vielmehr, die zentrale Idee eines Arzneimittels ohne diese Einengung auf ein einziges philosophisches System zu erfassen. Dabei kamen folgende Überlegungen und Erfahrungen zum Zuge:

Wenn sich die Totalität der Symptome von Patient oder AMB auf einen thomistischen Grundbegriff reduzieren liesse, könnte man sich theoretisch eine sichere Verordnung, eine Voraussagbarkeit der "Heilung mit dem Quantensprung" denken.

Unsere Erfahrung zeigte aber, dass die Reduktion auf ein einziges Begriffsraster so lange funktioniert, als man sich an eine begrenzte Anzahl von Arzneimitteln hält. Dreissig, vierzig Arzneien können ohne weiteres nach eng festgelegten Leitlinien bearbeitet werden. Wenn die Anzahl der untersuchten Mittel allerdings grösser wird, entstehen plötzlich unliebsame Überschneidungen der Begriffe, die Differenzierung wird schwierig und scheint zum Teil an den Haaren herbeigezogen. In dieser Schwierigkeit stecken nach unserer Beobachtung heute auch andere Homöopathie-Theorien.

Auch die Umsetzung der Patientengeschichten auf einen philosophischen Grundbegriff bietet grosse Schwierigkeiten. Die Gefahr ist hier immer wieder, dass man sich eine Interpretation der fremden Lebensgeschichte anmasst, die weit über das therapeutisch Sinnvolle hinausgeht.

Viele Patientengeschichten bieten ausserdem nicht das entsprechende Material. Wenn z.B. jemand keine Träume, kaum Mind-Symptome oder Überlegungen zum eigenen Leben aufzuweisen hat, kann man ihm den philosophischen Überbau nicht quasi "aufsetzen".

Für unsere tägliche Arbeit in der Praxis erwies es sich auch als äusserst schwierig, "typische" Frauenthemen in das thomistische Raster zu fassen. Aus nahe liegenden Gründen kommen Frauen bei Thomas von Aquin praktisch nicht vor.

Aus all diesen Gründen stellte es uns in den ersten Jahren der Auseinandersetzung mit der Masi-Revision immer wieder vor grosse Probleme, heutige Fragen des menschlichen Daseins in diese Philosophie umzusetzen.

Eine weitere Schwierigkeit – die durchaus persönlich gefärbt ist – hatten wir mit der christlich-patriarchalen Sprache, mit den ganzen Moralbegriffen von Sünde und Strafe, die unserer Meinung nach die Frage nach Krankheit und Heilung des Menschen nur belastet, statt sie zu erhellen.

Wir versuchten, die Fragestellung ans Arzneimittel verständlicher zu fassen, indem wir in unseren Publikationen umschreiben, wie eine Vollkommenheitsvorstellung des Menschen sich reibt an einer damit verbundenen menschlichen (notwendigerweise unvollkommenen) Daseinsbedingung und wo dieser Mensch deshalb ein Nichtgenügen erlebt, einen Verlust empfindet.

Ebenso versuchten wir, die Idee einer "göttlichen Strafe", die auf den Menschen wartet, weil dieser sich irgendwo eine Vollkommenheitsidee anmasst, eher als psychische Funktion zu umschreiben, als eine Furcht vor Strafe, die vielleicht tief in der Kollektivseele unserer christlich geprägten Gesellschaften schlummert.

Die von Masi eingeführten Kapitel "Rechtfertigung" und "Sehnsucht" liessen wir in unseren Überarbeitungen einfach weg, weil sich im Laufe der Jahre gezeigt hatte, dass in den Arzneimittelprüfungen nur selten Symptome auftreten, die sich diesen Erlebensbereichen zuordnen lassen.

Ein letztes gewichtigste Argument gegen den Thomismus als Denkgrundlage der Homöopathie besteht in der auf Aristoteles zurückgehenden Annahme, dass eine formgebende Seele den Körper verwalte und beherrsche, und zwar ausschliesslich in der Richtung von der Seele zum Körper hin, niemals umgekehrt. Diese Grundlage hätte Hahnemann wohl vordergründig durchaus als stimmig akzeptiert, schreibt er doch im berühmten § 9 des Organon von der geistartigen Lebenskraft, die den Organismus in harmonischem Lebensgang halte.

Heute wissen wir, dass eine umgekehrte Beeinflussung ebenfalls denkbar ist, dass nämlich eine Veränderung des Körpers zu einer Veränderung des innerpsychischen Erlebens führen kann. Man stelle sich etwa einen Menschen vor, der jahrelang unter Schmerzen gelitten hat und diese plötzlich los wird: Eine Steigerung seiner Lebensfreude, des Optimismus, der sozialen Verträglichkeit usw. würde uns nicht verwundern. Umgekehrt vermag eine plötzliche Behinderung etwa durch einen Unfall das psychosoziale Befinden eines Menschen zutiefst zum Negativen hin verändern. Auch moderne Hirnforschung definiert "seelische", respektive Bewusstseins-Prozesse gerne als neurologische Funktionen bestimmter Gehirnareale oder als hormonelle Abläufe.

Wir müssen also heute mit der Auffassung umgehen können, dass eine innige Vernetzung und Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Anteilen des Menschseins (Körper, Psyche, soziales Umfeld usw.) besteht, und wir in der Homöopathie noch lange nicht zu Ende überlegt haben, wo genau unsere Mittel was in welcher Richtung beeinflussen (sollen).

Daher ist es notwendig – wenn man überhaupt von einem einzigen Grundbegriff, einem roten Faden für eine Arzneimitteldarstellung ausgehen will – diesen nahe an der heutigen Zeit, nahe an der soziokulturellen und sprachlichen Realität zu formulieren. Sonst sind die Sprachkonglomerate von Arzneimittel und Patient nicht mehr in eine Ähnlichkeitsbeziehung zu bringen.

... was bleibt von Masi?

Die Suche nach einem Schlüsselbegriff, der als Synonym für die Problematik der primären Psora stehen kann, macht in unseren Augen weiterhin viel Sinn. Ihn zu suchen erfordert nämlich einen disziplinierten Umgang mit der Fülle einer Arzneimittelprüfung oder einer Patientenanamnese. In der Arbeit "nach Masi" bedeutet dies einen grossen Gewinn an Struktur und Klarheit.

Die für die homöopathische Philosophie sicher wichtigste Erkenntnis Masi-Elizaldes bezieht sich auf die zwei Homöopathien Hahnemanns: Die a-psorische, vor-psorische der frühen Jahre und die antipsorische nach der Entwicklung der Theorie der Chronischen Krankheiten, also nach 1816. In dieser späten Phase ist die Psora das eigentliche Behandlungsziel Hahnemanns – wir können heute dank der Vorarbeit Masi-Elizaldes in diese Fussstapfen treten und dort weiter forschen, wo bisher ein konzeptionelles Chaos herrschte. (ME)

Masi-Elizaldes Entdeckung der miasmatischen Phasen als Dynamik einer physischen und psychischen Entwicklung hat sicher den nachhaltigsten Einfluss auf unsere konkrete Arbeit am Arzneimittel und am Patienten. Durch die in unseren Augen absolut schlüssige Anwendung der Miasmen bekommen diese erstmals einen konkreten und nachvollziehbaren Bezug zur Arbeit in der täglichen Praxis – ohne dem simplifizierenden Schema zu folgen, Arzneimittel einfach in "psorische", "sykotische" oder "syphilitische" aufzuteilen.