Argentum nitricum

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ZENTRALE BEGRIFFE


Fokus der inneren Aufmerksamkeit
Das innere Befinden von Argentum nitricum ist geprägt durch abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit. Alle Unternehmungen sind zum Scheitern verurteilt. Jederzeit kann das Schlimmste passieren. Alle möglichen Befürchtungen werden mit überdurchschnittlicher Imagination phantasiert. Alle geistigen und körperlichen Kräfte werden auf das mögliche Unglück konzentriert, die ganze Aufmerksamkeit wird dafür reserviert. Die Ewartung ist — in der aristotelisch-thomistischen Anthropologie — die Aufmerksamkeit, die einem noch abwesenden Objekt gilt, das erhofft oder befürchtet wird. Die bekannte Erwartungsspannung von Argentum nitricum wird von daher verständlich und ist der erste Schwerpunkt der inneren Aufmerksamkeit.
Argentum nitricum verweigert die Distanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Es möchte wie Gott ausserhalb von Raum und Zeit stehen. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass alle Wünsche jederzeit auch bereits Wirklichkeit wären. Das Thema Zeit ist deshalb ein zweiter Fokus der Argentum-nitricum-Problematik. Jede Zeitspanne beinhaltet tausend Möglichkeiten des Scheiterns. Von daher kommen das gehetzte Grundgefühl von Argentum nitricum und die Angst vor verabredeten Terminen. Jeder festgesetzte Zeitpunkt spitzt die Frage zu, was vorher noch alles passieren und so die Einhaltung dieses Termins verhindern könnte. Argentum nitricum beneidet also durchwegs die Unveränderlichkeit, Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes. Aber es handelt sich dabei um sekundäre Attribute. Argentum nitricum möchte unsterblich sein, weil es ausserhalb der Zeit stehen möchte, damit seine Wünsche auch jederzeit bereits Wirklichkeit wären.
Weil Argentum nitricum die Identität zwischen Wunsch und Wirklichkeit möchte, ist es auch äusserst unflexibel in bezug auf seine Wünsche. Die dem Menschen unabdingbare Fähigkeit, die eigenen Ziele relativieren zu können, geht ihm ab. Halsstarrig hält es an einem Ziel fest, auch wenn die Umstände kleine Abweichungen oder Umwege nahelegen und den Erfolg wahrscheinlicher machen würden. Das Gefühl von Enge und Beklemmung ist deshalb ein dritter Schwerpunkt der Problematik. Jeder Weg zum Ziel erscheint als enge Gasse oder schmale Brücke, die Häuser rücken so eng zusammen, dass der Argentum-nitricum-Mensch dazwischen zerquetscht zu werden droht. Alles soll auf direktem Weg erreicht werden können, es gibt keine Ausweichmöglichkeiten, keine Umwege und Richtungsänderungen.
Argentum nitricum möchte ausserdem ohne Anstrengung zum Ziel kommen. Es entzieht sich der Arbeit unter irgendwelchen Vorwänden. Das Gefühl, dass jedes Unternehmen ohnehin scheitern werde, ist keine positive Motivation zum Arbeiten. Diese spezielle Art von Faulheit ist der vierte Kernpunkt der Argentum-nitricum-Problematik. Sie hat auch eine Störung in bezug auf die soziale Einbindung zur Folge. Das Gemeinschaftsleben basiert nämlich auf dem Gesellschaftsprojekt, das die Anstrengung aller für den gemeinsamen Erfolg voraussetzt.



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Die Themenliste umfasst eine inhaltlich gruppierte Sammlung von Original Prüfungssymptomen

Wie zeigt sich das Leiden des Patienten? (Sekundäre Psora)

Wie kompensiert er sein Leiden? (Egotrophie, Egolyse, Alterolyse)

Wie lautet die eigentliche Hypothese „nach Masi“? (Primäre Psora)

Hier finden Sie spannende Interpretationen von einzelnen Themen oder Symptomen



THEMENLISTE


Hauptthemen

Ein zentraler Themenbereich ist die Konzentration von Aufmerksamkeit und Imagination auf das Scheitern, den Misserfolg: Erwartungsspannung, Vorahnung; Hypchondrie, Herz- oder Schlaganfall, Sterben; das Abweichen von der Richtung, Fallen; Scheitern, Misserfolg, das Gefühl, hoffnungslos verloren zu sein; Schwermut, Trauer, Weinen; die Gestalten, denen er sich nicht annähren kann, Verlust von Freunden, Tote, Geister; phantastischer Halbschlummer, gestörte Imagination, Denkstörung, Geistesschwäche, Gehirnerweichung, Gedächtnisverlust, gestörter Gemeinsinn, gestörte Sicht; Kinderlosigkeit.
Bei einer weiteren Themengruppe geht es um Enge, Halsstarrigkeit: Eine lange, enge Gasse, Brücke; Engegefühle, Zusammenziehen, Zusammenschnüren, Eisenring, Schraubstock, Beklemmung; Erstickungsgefühl, besser durch frische Luft, schlimmer durch geschlossene Fenster; Flucht, hinausgehen, Ausdehnung, zerspringen, zerplatzen.
Weitere Themen beziehen sich auf Zeit und Veränderung: Gefühl, zu Hause habe sich alles verändert; faules Wasser, Fische; Zeit, Hast, schnelles Gehen, Traum, in dem Zeit und Raum diffus gemischt sind.
Ein wichtiger Themenbereich handelt von Arbeit, Anstrengung, Gesellschaft, Anerkennung: Erschwerte Konversation, stupides Gefühl beim Schreiben; Abneigung gegen Arbeit, nichts tun wollen; kindisches Verhalten, Geringschätzung, Vernachlässigung, Verachtung, Aufsehen erregen, beobachtet werden; Vorwände, Einwände, Gleichgültigkeit gegen gesellige Vergnügen.
Weitere Themen kreisen um das Schlaraffenland: Verlangen nach Zucker, Süssigkeiten und Pflaumensauce, nach kräftiger flüssiger Nahrung.


1. Erwartungsspannung
Wenn ein Termin festgesetzt ist, wird er einen Tag vorher unruhig, ist besorgt und lange vor der Zeit bereit. He 1.27
Des öfteren überzeugt vom Zeitpunkt seines Todes. He 1.13
Beim Gehen wird er nervös, glaubt, einen Anfall zu bekommen oder plötzlich zu sterben, was ihn dazu treibt, schneller zu gehen; muss jedoch bald anhalten, weil er müde wird. He 1.15
Anfälle von Verzweiflung und allerlei eigenartigen Einbildungen; z. B. beim Gehen entlang der Strasse könne er einen Punkt nicht passieren ohne umzufallen; öfters überzeugt vom Zeitpunkt, an dem er sterben werde. He 1.42
Besorgnis, wenn er bereit ist, in die Kirche oder in die Oper zu gehen; Durchfall setzt ein. He 1.45
Er fürchtet, beim Passieren einer bestimmten Strassenecke oder eines bestimmten Gebäudes umzufallen und Aufsehen zu erregen; erleichtert dadurch, dass er in eine andere Richtung geht. He 1.49

2. Vorahnung
Nach einem Anfall liegt sie manchmal ganz ruhig, aber vor einem nächsten wird sie sehr unruhig; hat die Vorahnung eines nahenden Anfalls. He 24.4

3. Hypochondrie
Hypochondrie und finstere Stimmung; ziehende Stirnkopfschmerzen (...) A 3
Hypochondrische Verschlossenheit, begleitet von Stumpfheit im Kopf und Klopfen im ganzen Körper. A 4
Er glaubt, Gehirnerweichung oder sonst ein unheilbares Leiden zu haben, was ihn fast zur Verzweiflung treibt. Hypochondrie. He 1.14
Traurig, Furcht vor Schlaganfall (kein Schlaganfall). He 1.35
Vorahnung irgendeiner ernsthaften Erkrankung. He 1.44
Erschrickt leicht; fürchtet, dass sich Erkrankungen ernsthaft entwickeln könnten; weinerliche Stimmung. He 1.46
Grosse Nervosität und Entkräftung; fürchtet allein zu sein, weil er zu sterben glaubt; hat die Vorahnung irgendeiner ernsthaften Erkrankung, was ihn beinahe zur Verzweiflung treibt. He 1.48
Klagt über zusammenziehenden Stirnkopfschmerz, wie auf einem kleinen Fleck — so gross wie ein Zehncentstück — kontrahiert sich jeden Tag und wird kleiner, er glaubt, verrückt zu werden, sobald dieser sich zusammenzieht. He 3.11
Angst mit Herzklopfen und Pulsieren im ganzen Körper, vor allem in Kopf und Bauch; beim Ruhigsitzen hat er öfter das Gefühl, sein Herz höre auf zu schlagen; plötzlich spürt er zwei starke Herzschläge, scheinbar vom Magen in den Kopf aufsteigend. He 29.3
Nervös, zur Ohnmacht neigend, zittrige Erscheinung, als ob ihn ein ernsthaftes Leiden befallen würde. He 36.8

4. Das Herz hört auf zu schlagen
(...) beim Ruhigsitzen hat er öfter das Gefühl, sein Herz höre auf zu schlagen (...) He 29.3

5. Schlaganfall
Traurig, Furcht vor Schlaganfall (kein Schlaganfall). He 1.35

6. Sterben
Krämpfe der Atmungsmuskulatur; starkes Zusammenziehen und Stechen in der Oberbauchgegend; kann nicht reden; Trinken erstickt; sogar ein Taschentuch vor der Nase behindert die Atmung; Agonie, denkt daran, sich umzubringen. He 26.7
Des öfteren überzeugt vom Zeitpunkt seines Todes. He 1.13
Beim Gehen wird er nervös, glaubt, einen Anfall zu bekommen oder plötzlich zu sterben (...) He 1.15
(...) öfters überzeugt vom Zeitpunkt, an dem er sterben werde. He 1.42

7. Selbstmord
Denkt darüber nach, sich selbst umzubringen. He 1.21
Beim Überqueren einer Brücke ein fast unwiderstehliches Verlangen, in den Fluss zu springen; die Begegnung mit jemandem verhinderte dies. He 1.22
(...) denkt daran, sich umzubringen. He 26.7

8. Festgesetzter Zeitpunkt, bestimmter Punkt
Wenn ein Termin festgesetzt ist, wird er einen Tag vorher unruhig, ist besorgt und lange vor der Zeit bereit. He 1.27
Anfälle von Verzweiflung und allerlei eigenartigen Einbildungen; z. B. beim Gehen entlang der Strasse könne er einen Punkt nicht passieren ohne umzufallen; öfters überzeugt vom Zeitpunkt, an dem er sterben werde. He 1.42
Besorgnis, wenn er bereit ist, in die Kirche oder in die Oper zu gehen; Durchfall setzt ein. He 1.45
Er fürchtet, beim Passieren einer bestimmten Strassenecke oder eines bestimmten Gebäudes umzufallen (...) He 1.49
vgl. He 1.13

9. Von der Richtung abweichen, schwanken, aussteigen
Dumpfheit des Kopfes, geistige Verwirrung; Schwindeligkeit; Neigung zur Seite zu fallen. He 1.7
Schwindel beim Gehen mit geschlossenen Augen, was ihn beunruhigt; torkelt beim Gehen im Dunkeln, muss sich an Dingen festhalten. He 2.7
Anfall von Herzklopfen mit Angst und Zittern während des Fahrens, dies veranlasst ihn, aus dem Wagen zu steigen und zu gehen, und zwar richtig schnell. He 29.6
Geht nach links statt geradeaus. He 35.36
Er fürchtet, beim Passieren einer bestimmten Strassenecke oder eines bestimmten Gebäudes umzufallen und Aufsehen zu erregen; erleichtert dadurch, dass er in eine andere Richtung geht. He 1.49

10. Lähmung der Akkomodation, gestörte Augachsen
Schwinden der Sehkraft; er muss ständig den Schleim wegwischen, der die Sehachse verdeckt. A 155
Sehkraft war behindert bei nahen Objekten, alles erschien verwischt oder undeutlich. He 5.11

11. Lange Gasse, Brücke
Im ersten Teil der Nacht unruhige Träume von langen, schlecht beleuchteten Gassen, mit einer Reihe merkwürdig gekleideter Gestalten, die zurückweichen beim Annähern, aber ihm folgen, wenn er weitergeht. A 798
Der Anblick hoher Häuser machte ihn schon immer schwindlig und verursachte Taumeln; es schien, als ob die Häuser zu beiden Seiten auf ihn zukommen und ihn zerschmettern würden. He 1.12
Beim Überqueren einer Brücke ein fast unwiderstehliches Verlangen, in den Fluss zu springen; die Begegnung mit jemandem verhinderte dies. He 1.22

12. Dunkelheit, geschlossene Augen
Gedächtnisverlust; liegt mit geschlossenen Augen, meidet Licht und Unterhaltung. He 1.3
Schwindel beim Gehen mit geschlossenen Augen, was ihn beunruhigt; torkelt beim Gehen im Dunkeln, muss sich an Dingen festhalten. He 2.7
(...) liegt empfindungslos, die Augen geschlossen, scheut Licht und Unterhaltung. He 3.31
Es war unmöglich für ihn, seine Gedanken auf irgendetwas zu konzentrieren oder seiner Beschäftigung die nötige Aufmerksamkeit zu schenken; beim Versuch, dies zu tun, wurde es sofort schwarz vor seinen Augen und die Kopfschmerzen verstärkten sich. He 1.8
Beine fühlen sich wie hölzern oder wie gepolstert an, mit Unempfindlichkeit gegen Berührung, weniger Wärme, Zuckungen in den Zehen, wankendem und unsicherem Gang; kann nicht mit geschlossenen Augen gehen. He 33.8

13. Wie Pfeile durch das Auge
Gewebszerstörung wie von einem Hornhautulkus; in einem Fall mit Schmerzen wie Pfeile durchs Auge (...) He 5.35

14. Gezieltes Denken, Aufmerksamkeit
Es war unmöglich für ihn, seine Gedanken auf irgendetwas zu konzentrieren oder seiner Beschäftigung die nötige Aufmerksamkeit zu schenken; beim Versuch, dies zu tun, wurde es sofort schwarz vor seinen Augen und die Kopfschmerzen verstärkten sich. He 1.8
Gezieltes Denken verstärkt die Kopfschmerzen und verursacht Trübung der Sehkraft. He 1.63

15. Sieht die Gegenstände doppelt
Kurzzeitiger Blutandrang zum Kopf, seither scheinen Gegenstände verschwommen oder doppelt. He 3.3

16. Gestörte Sicht, Undeutlichkeit
Kurzzeitiger Blutandrang zum Kopf, seither scheinen Gegenstände verschwommen oder doppelt. He 3.3
Bei Zwielicht und bewölktem Wetter ständig eine Wolke über dem linken Auge. He 5.8
Mangelndes Sehvermögen bei nahegelegenen Dingen, alles erschien verschwommen und undeutlich. He 5.11

17. Fallen
Torkelnder Gang. He 33.4
Beine fühlen sich wie hölzern oder wie gepolstert an, mit Unempfindlichkeit gegen Berührung, weniger Wärme, Zuckungen in den Zehen, wankendem und unsicherem Gang; kann nicht mit geschlossenen Augen gehen. He 33.8
Dumpfheit des Kopfes, geistige Verwirrung; Schwindeligkeit; Neigung zur Seite zu fallen. He 1.7
Schwindel am Morgen wie vom Drehen im Kreis, muss sich hinsetzen oder fällt hin. He 2.10
Geht und steht unsicher nach harter geistiger Arbeit, vor allem wenn er sich unbeobachtet fühlt. He 36.1
vgl. He 1.42, 1.49

18. Scheitern, Misserfolg
Er fühlt sich körperlich und geistig sehr angegriffen; er unternimmt nichts, aus Furcht, nicht erfolgreich zu sein. A 6
Besessen vom quälenden Gedanken, dass all seine Unternehmungen scheitern werden und müssen. He 1.16

19. Hoffnungslos verloren, ohne Hilfe, Jammern
Gedächtnisschwäche, die ihm öfter nicht erlaubte, das richtige Wort zu finden. He 1.4
Wenn er bei Unterhaltungen vergass, was er gerade hatte sagen wollen, schaute er in die Runde, als ob er erwartete, dass ihm jemand aus der Not helfen würde. He 1.5
Er weinte und versicherte jedermann, dass er hoffnungslos verloren sei; dass niemand ihn täuschen und niemand ihm das ausreden könne. He 1.19
Spricht andauernd von seinem Leiden. He 1.24
Melancholisch, klagt ständig über Schwindel. He 1.38

20. Schwermut, Trauer, Weinen
Heftiger Überdruss und Niedergeschlagenheit. He 1.33
Traurig und wortkarg (...) He 1.36
Weinerliche Stimmung. He 1.37
Tiefe Melancholie und Geistesschwäche, mit Blutandrang zum Kopf. He 1.39
vgl. He 1.38

21. Annäherung unmöglich
Im ersten Teil der Nacht unruhige Träume von langen, schlecht beleuchteten Gassen, mit einer Reihe merkwürdig gekleideter Gestalten, die zurückweichen beim Annähern, aber ihm folgen, wenn er weitergeht. A 798

22. Verstorbene Freunde, Tote, Geister
Sieht nachts verstorbene Freunde, Tote, Geister (...) He 37.12

23. Gefühl, zu Hause habe sich alles verändert
Gefühl, als habe sich zu Hause alles verändert und dass sein Geist schwach sei. He 1.18

24. Faules Wasser, Fische, Schlangen
Er erwacht nachts häufig aus Träumen von faulem Wasser, Fischen und Schlangen, welche ihn mit Entsetzen erfüllen. A 800

25. Phantasien, phantastischer Halbschlummer, Imagination
(...) wenn er sich hinlegt, um seinen Kopf zu entlasten, huschen in seiner Einbildung Visionen und entstellte Gesichter vorbei, obwohl seine Augen geschlossen sind, sogar bei Tageslicht. A 1
Phantasien und Bilder bedrängen ihn beim Einschlafen. A 794
Wird durch Phantasien und Bilder, welche durch seine Einbildung huschen, am Einschlafen gehindert; im ersten Teil der Nacht ist er in einer Art phantastischem Halbschlummer, voller Träume. A 795
Schreckliche Gesichter erscheinen beim Schliessen der Augen. He 1.11
Anfälle von Verzweiflung und allerlei eigenartigen Einbildungen (...) He 1.42

26. Kann keinen Gedanken fassen
Schwierigkeiten, seine Sinne beisammen zu halten; er fand es äusserst schwierig, einen Gedanken zu fassen, mit Hitze und Völle des Kopfes. A 10

27. Kann die Sinne nicht beisammen halten
Schwierigkeiten, seine Sinne beisammen zu halten; er fand es äusserst schwierig, einen Gedanken zu fassen, mit Hitze und Völle des Kopfes. A 10
Helles Ohrenklingen bringt die Sinne durcheinander; sie hat das Gefühl, es komme von weit her. A 172

28. Klares Bewusstsein, Leichtigkeit der Sinne
Wechsel von klarem Bewusstsein, Leichtigkeit der Sinne und Gleichgültigkeit. A 8

29. Denkstörung, schlimmer durch harte geistige Arbeit
Schwerfälligkeit der Sinne, Abwesenheit der Gedanken; er ist unfähig, die geeigneten Worte für seine Ideen zu finden; deswegen stottert er. A 9
Gedächtnisschwäche; er ist unfähig, in Zusammenhängen zu denken, er stottert. A 13
Vollständiger Bewusstseinsverlust. A 15
Furcht oder Denken verursacht Durchfall. He 1.47
Kopfschmerzen, schlechter in frischer Luft, in der Wärme, nachts, durch Licht, durch geistige Arbeit, besser durch festes Einbinden des Kopfes. He 3.22
Geht und steht unsicher nach harter geistiger Arbeit, vor allem wenn er sich unbeobachtet fühlt. He 36.1

30. Geistesschwäche, Gehirnerweichung
Beträchtliche Geistesschwäche. He 1.9
Er glaubt, Gehirnerweichung oder sonst ein unheilbares Leiden zu haben, was ihn fast zur Verzweiflung treibt. Hypochondrie. He 1.14
Gefühl, als habe sich zu Hause alles verändert und dass sein Geist schwach sei. He 1.18

31. Zusammenhängendes Denken
Gedächtnisschwäche; er ist unfähig, in Zusammenhängen zu denken, er stottert. A 13

32. Verrückt werden
Klagt über zusammenziehenden Stirnkopfschmerz, wie auf einem kleinen Fleck — so gross wie ein Zehncentstück — kontrahiert sich jeden Tag und wird kleiner, er glaubt, verrückt zu werden, sobald dieser sich zusammenzieht. He 3.11

33. Durchfall bei Furcht oder Denken
Furcht oder Denken verursacht Durchfall. He 1.47

34. Gedächtnisverlust
Schmerzhafte Völle und Schwere des Kopfes, mit Unfähigkeit, sich an etwas zu erinnern, glühend rote Wangen. He 3.1
Gedächtnisverlust; liegt mit geschlossenen Augen, meidet Licht und Unterhaltung. He 1.3
Gedächtnisschwäche, die ihm öfter nicht erlaubte, das richtige Wort zu finden. He 1.4
Wenn er bei Unterhaltungen vergass, was er gerade hatte sagen wollen, schaute er in die Runde, als ob er erwartete, dass ihm jemand aus der Not helfen würde. He 1.5

35. Zeit, Hast, schnelles Gehen
Angst, die ihn zu schnellem Gehen treibt. A 5
Impulsiv, muss sehr schnell gehen; häufig wiederkehrende Angstzustände. He 1.25
Immer in Eile. He 1.26
Ein seltsames Gefühl veranlasst ihn, sehr schnell zu gehen. He 35.29
vgl. He 1.15, 1.27, 1.45

36. Raum und Zeit diffus vermischt
Nachts zahlreiche Träume von Orten, an denen er gewesen war und von Personen, die er gesehen hatte, alles, was Zeit und Umstände betrifft, diffus vermischt. A 797

37. Erschwerte Konversation
Schwerfälligkeit der Sinne, Abwesenheit der Gedanken; er ist unfähig, die geeigneten Worte für seine Ideen zu finden; deswegen stottert er. A 9
Kann nicht sprechen; Krämpfe der Zungen- und Halsmuskeln. He 11.3
vgl. He 1.3, 1.4, 1.5

38. Stupides Gefühl beim Schreiben
Stupides Gefühl im Kopf beim Schreiben. A 12

39. Abneigung gegen Arbeit, will nichts tun
Hypochondrische Verschlossenheit, begleitet von Stumpfheit im Kopf und Klopfen im ganzen Körper. A 4
Allgemein schwachsinnige Erscheinung; kindisches Gerede, arbeitet nicht, weil er das Gefühl hat, es würde ihm schaden, oder dass er nicht fähig sei, zu bestehen. He 1.10
Verweigerte das Essen mit der Begründung: Wer nicht arbeitet, soll nicht essen! Aber durch den Hunger getrieben, versuchte er, es heimlich zu beschaffen. He 1.17
Bleibt öfters im Bett unter dem geringsten Vorwand, "unpässlich" zu sein. He 1.29
Keine wirkliche Lust zu arbeiten. He 1.30
Arbeitet nicht, weil er das Gefühl hat, es würde ihm schaden, oder dass er nicht fähig sei, zu bestehen. He 1.31
Trübsinnig, flau; wünscht nichts zu tun. He 1.34
Melancholie seit einer unberechtigten Beleidigung; fixe Idee, dass er von seiner Familie abgelehnt und verachtet werde; sein Beruf wurde ihm gleichgültig. He 1.40
Wurde gleichgültig gegen alle geselligen Vergnügen und verlor jegliche Lust an der Arbeit. He 1.54
Bei Verstopfung leidet er mehr unter Zittern, Müdigkeit, Abscheu vor der Arbeit und Schlaflosigkeit. He 20.22

40. Kindisches Verhalten
Schwachsinniges Aussehen; er schaut die Leute mit einem albernen Gesichtsausdruck an, sogar wenn er mit ihnen über etwas Ernsthaftes diskutiert; er benimmt sich schüchtern und einfältig, und redet in kindischer Art und Weise (...) A 1
Allgemein schwachsinnige Erscheinung; kindisches Gerede, arbeitet nicht, weil er das Gefühl hat, es würde ihm schaden, oder dass er nicht fähig sei, zu bestehen. He 1.10

41. Geringschätzung, Verachtung
Melancholie seit einer unberechtigten Beleidigung; fixe Idee, dass er von seiner Familie abgelehnt und verachtet werde; sein Beruf wurde ihm gleichgültig. He 1.40

42. Aufsehen erregen, beobachtet werden
Geht und steht unsicher nach harter geistiger Arbeit, vor allem wenn er sich unbeobachtet fühlt. He 36.1
Er fürchtet, beim Passieren einer bestimmten Strassenecke oder eines bestimmten Gebäudes umzufallen und Aufsehen zu erregen (...) He 1.49

43. Vorwände, Einwände
Er hatte die sonderbarsten Einwände gegen alles, was vorgeschlagen wurde. He 1.59
Allgemein schwachsinnige Erscheinung; kindisches Gerede, arbeitet nicht, weil er das Gefühl hat, es würde ihm schaden, oder dass er nicht fähig sei, zu bestehen. He 1.10
Verweigerte das Essen mit der Begründung: Wer nicht arbeitet, soll nicht essen! Aber durch den Hunger getrieben, versuchte er, es heimlich zu beschaffen. He 1.17
Bleibt öfters im Bett unter dem geringsten Vorwand, "unpässlich" zu sein. He 1.29

44. Enge, Zusammenziehen
Manchmal drückende Schmerzen auf dem Scheitel, manchmal am linken Stirnbein, besser durch Druck oder festes Bandagieren; schlechter durch irgendwelche erschöpfende geistige Arbeit; Buchstaben laufen zusammen. He 4.4
Brennen der Kopfhaut, die sich fest zusammengezogen anfühlt; kaltes Gefühl in den Augen. He 4.8
vgl. He 3.2, 3.11, 3.23, 5.26, 13.9, 17.9, 39.8, 45.6

45. Zusammengeschnürt, Eisenring, Schraubstock
Zusammenziehen in den Eingeweiden, als ob sie fest mit einem Band zusammengeschnürt wären. He 19.8
Fühlt sich am Morgen, als ob er mit Seilen um die Brust oder Hüfte verbunden wäre. He 28.4
Gefühl wie von einem Eisenring um ihre Brust. He 28.5
Sie erwachte um Mitternacht herum mit dem bedrückenden Gefühl, einen schweren Klumpen in der Magengegend zu haben, der Erbrechen auslöste; (...) Gefühl im Kopf, als wäre er in einem Schraubstock. A 343
vgl. He 43.1, 43.34, 43.38

46 Beklemmung, Erstickungsgefühl
Luft stösst auf, aber die Speiseröhre scheint krampfhaft verschlossen, vergebliches Bemühen zu rülpsen. He 16.3
Wacht um Mitternacht mit Beklemmung wie von einem schweren Klumpen im Magen auf, was Erbrechen verursacht; am Morgen hustet er eiweissartigen Schleim aus, der in Fäden gezogen werden kann; am Nachmittag Verlangen zu erbrechen, zittrige Schwäche. He 16.16
vgl. He 26.7, 29.2, 39.8, 39.12, 43.1

47. Besser durch frische Luft, schlimmer bei geschlossenen Fenstern
So sehr abgespannt und gereizt, dass er — ohne das Wissen seines Arztes — aufsprang, um an die frische Luft zu gelangen. He 1.58
Das Asthma treibt ihn, das Fenster zu öffnen; wenn die Fenster geschlossen sind, wird er unruhig; nachts wacht er mit Erstickungsgefühl auf, rennt zum Fenster, um Luft zu holen. He 39.18
vgl. He 39.17, 39.22-24

48. Hinausgehen
Herzklopfen nachts im Bett; muss aufstehen und ausser Haus gehen, um Linderung zu erfahren. He 37.17
Anfall von Herzklopfen mit Angst und Zittern während des Fahrens, dies veranlasst ihn, aus dem Wagen zu steigen und zu gehen, und zwar richtig schnell. He 29.6
vgl. He 1.58

49. Ausdehnung, Vergrösserung
Blutandrang in Kopf und Gesicht, der Kopf fühlt sich sehr vergrössert an. He 3.5
Schmerz im Kopf, dieser scheint vergrössert zu sein. He 3.6
Kopf fühlt sich sehr vergrössert an, ebenso das Auge auf der betroffenen Seite. He 4.1
Puerperale Konvulsionen; diesen geht ein Gefühl von allgemeiner Ausdehnung voraus, meist des Gesichtes oder des Kopfes. He 24.3
Undefinierbare Schmerzen: in der linken Kopfseite; im Kopf, der vergrössert zu sein scheint (...) He 43.36

50. Zerspringen, platzen
Es fühlt sich an, als ob die Schädelknochen voneinander getrennt seien, mit Temperaturanstieg. He 4.2
Aufstossen nach jedem Essen; Magen, als ob er vor Luft zerplatzen würde; Aufstossen schwierig, schliesslich schiesst die Luft mit grosser Heftigkeit heraus. He 16.5
Berstende Schmerzen nach dem Treppensteigen; muss mit beiden Händen drücken. He 28.11
Herz schlägt, als ob es plötzlich von oben zur Mitte fallen würde, mit einem berstenden Gefühl im oberen Brustbereich. He 29.8

51. Eine Reihe merkwürdig gekleideter Gestalten
Im ersten Teil der Nacht unruhige Träume von langen, schlecht beleuchteten Gassen, mit einer Reihe merkwürdig gekleideter Gestalten, die zurückweichen beim Annähern, aber ihm folgen, wenn er weitergeht. A 798

52. Hunger, Essen
Morgens träumt er, dass er Hunger hat; dieses Gefühl weckt ihn; beim Erwachen ist er von heftigen Bauchkrämpfen geplagt, die von Hunger, Übelkeit und beträchtlichen Blähungen begleitet werden. A 799
Konnte seine Kiefer nicht auseinanderbringen, kann nur Flüssiges schlucken. He 9.3
Das Essen fällt ihm beim Kauen aus dem Mund. He 9.4
Zahnschmerzen, vor allem beim Kauen, beim Essen saurer Dinge oder wenn irgendetwas Kaltes in den Mund gelangt; brummende, bohrende Schmerzen wie von Karies. He 10.2
Warzenähnliche Auswüchse fühlen sich beim Schlucken wie spitzige Körper an. He 13.7
Gefühl, als ob der Hals verengt wäre, schluckt mit Schmerzen. He 13.9
Das Essen fühlt sich an wie im Hals steckengeblieben. He 13.11

53. Tiefer Stich durch ein Insekt
Gegen Morgen träumte er, dass sich ein Insekt so tief in die Ferse hineingebohrt habe, dass es herausgeschnitten werden musste. A 801

54. Tanzen
Gedächtnisverlust. Kopfschmerzen vom Tanzen. He 1.2
Schnell ermüdet. Kopfschmerzen vom Tanzen. He 1.32

55. Steifheit, Holz, Stock, Hartnäckigkeit
Manchmal sind seine Nerven so abgespannt, dass er in wilde Aufregung kommt; wenn er von diesen Attacken befallen wird, hat er kein Verlangen, sich zu bewegen oder zu reden, aber immer suchte er einen Stuhl und klammerte sich hartnäckig an ihm fest. He 1.62
Zunge trocken, hart wie ein Holzspan und schwarz wie die Zähne. He 11.6
Schmerzen wie von Stöcken oder Splittern in und um die Gebärmutter, angeregt durch Gehen oder Fahren und durch Stuhlentleerung. He 23.4
Sie fühlt sich so schwach, dass es ihr kaum möglich ist, durchs Zimmer zu gehen; klagt erheblich über Steifheit der Waden. He 36.22
Beine fühlen sich wie hölzern oder wie gepolstert an (...) He 33.8

56. Kinderlosigkeit
Metrorrhagie bei Unfruchtbarkeit und bei Frauen, die noch keine Kinder geboren haben. He 23.12

57. Gleichgültigkeit gegen gesellige Vergnügen
Wurde gleichgültig gegen alle geselligen Vergnügen und verlor jegliche Lust an der Arbeit. He 1.54

58. Willkürliche Bewegung oder Anstrengung
Willkürlicher Stuhlgang unmöglich; aber Stuhl und Urin gehen unwillkürlich ab. He 20.18
Impotenz; Erektionen, aber diese gelingen nicht, wenn er Beischlaf haben will. He 22.1
Das Bestreben, tief einzuatmen, raubt ihm sofort den Atem. He 26.13
Schlechter durch Bewegung: Kopfschmerzen; Augapfel, Hitze, Völle; Gefühl eines Splitters im Hals bei Bewegung des Nackens; Schmerzen in der Nierengegend; plötzliche muskuläre Anstrengung verursacht Herzklopfen (...) He 35.27
Willkürliche Bewegung unmöglich; linke Seite unbeschreiblich müde. He 36.29

59. Erregt, impulsiv, reizbar
Impulsiv, muss sehr schnell gehen; häufig wiederkehrende Angstzustände. He 1.25
Sehr reizbar, wenn nervös. He 1.57
War nachts sehr erregt und murmelte ständig. He 1.61
Seine Nerven sind so abgespannt, dass er in wilde Aufregung kommt. He 36.6
vgl. He 1.62

60. Süssigkeiten, Pflaumensauce
Verweigert das Getränk, ausser wenn es gesüsst ist, obwohl er durstig ist. He 14.6
Liebt Pflaumensauce über alles, obwohl das Schlucken erschwert ist. He 14.9
Unwiderstehliches Verlangen nach Zucker. He 14.10
Das Kind mag Zucker sehr, aber nach dem Verzehr tritt Durchfall auf. He 20.14

61. Kräftige, flüssige Nahrung
Melancholie nach einer kräftigen Mahlzeit, vor allem nach flüssiger Nahrung. He 15.13

62. Wie nach einer langen Reise
Müde Waden, wie nach einer langen Reise. He 33.9

63. Splittergefühl
Bläschen in der Nähe des Handgelenks, fühlt sich an, als ob ein Splitter darin sei. He 32.6
Gefühl, als ob sich ein Splitter im Hals festgesetzt hätte; beim Schlucken, Aufstossen, Atmen, sowie beim Strecken und Bewegen des Nackens. He 13.6
Giftiger Schmerz in der Mitte des Harnleiters, wie von einem Splitter. He 21.4

64. Seife
Rundliche Klumpen von seifenähnlichem Schleim sammeln sich im Kehlkopf, verursachen kleinere Hustenanfälle, wodurch sie ausgespuckt werden. A 535

65. Fliessen
Beim Gehen ein eigenartiges Gefühl in der linken Wade, wie ein Stechen, oder als ob heisse Flüssigkeit über die Haut fliesse. A 691
Gefühl, als ob etwas Flüssiges von hinten nach vorn dem Harnleiter entlang fliesse. A 479

MIASMATISCHE DYNAMIK — SEKUNDÄRE PSORA


Die sprichwörtliche Erwartungsspannung ist im traditionellen homöopathischen Arzneimittelbild von Argentum nitricum bekannt. Was ist aber das Besondere, das Individualisierende an der Erwartungsspannung von Argentum nitricum? Es geht nicht um die Problematik der Vorsehung. Argentum nitricum möchte nicht die Zukunft kennen und entwickelt keine Strategien, um der Vorsehung ein Schnippchen zu schlagen. Das Typische bei Argentum nitricum ist die abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit, das Gefühl, in jedem Fall zum Scheitern verurteilt zu sein. Die Argentum-nitricum-Menschen leiden daran, in Raum und Zeit eingespannt zu sein. Sie gehen davon aus, dass sie in diesem Gewebe der veränderlichen Welt ihre Ziele niemals so verwirklichen können, wie sie sich das vorstellen. Die Erwartung ist eine Form der Aufmerksamkeit, die sich auf noch abwesende Objekte der Zukunft, d.h. auf Ziele bezieht. Die psorische Grundangst von Argentum nitricum dreht sich darum, ein fixiertes, definiertes Ziel nicht erreichen zu können, weil auf der Zeit- oder Raumachse Hindernisse auftreten können, die es zum Scheitern verurteilen.
Für diese Hypothese spricht die Tatsache, dass bei Argentum nitricum sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Imagination in Mitleidenschaft gezogen sind. Die Aufmerksamkeit ist die aktive Konzentration aller Kräfte auf ein bestimmtes Ziel hin, die Imagination ist die Voraussetzung dafür: Nur wenn ich mir ein in der Zukunft liegendes Ziel vorzustellen vermag, kann ich mich darauf konzentrieren. Weil Argentum nitricum seine Ziele unbehindert erreichen möchte, sind sowohl seine Aufmerksamkeit als auch sein Imaginationsvermögen pathologisch gesteigert. Weil es aber die Hoffnung verweigert und sich ohnehin als Verlierer sieht, konzentriert es seine Imagination auf das Scheitern und den Misserfolg. Argentum-nitricum-Menschen sind deshalb ständig in Alarmbereitschaft. Sie leiden unter Unglücksphantasien aller Art und unter der ständigen Angst, dass überall und jederzeit das Schlimmste passieren kann. Dieser Verlust des Realitätssinnes ist der Grund dafür, weshalb das Verhalten von Argentum-nitricum-Menschen häufig einen kindlichen Charakter annimmt und lächerlich wirkt. Argentum-nitricum-Menschen reagieren ausserordentlich empfindlich auf Misserfolge, sie können daran erkranken, da sie dadurch in der Annahme bestätigt werden, dass sie zum Scheitern verurteilt sind und dass ihnen von gar niemandem geholfen werden kann. Sie leiden dehalb oft an einem ausgeprägten Verlassenheitsgefühl. Mit dem Erfolg steht auch ihr Ansehen auf dem Spiel. Sie leben in der dauernden Angst, andere könnten sie als Scheiternde oder Erfolglose beobachten, sie geringschätzen und verachten.
Alle Schwierigkeiten, die bei der Verfolgung eines Zieles auftauchen, werden als unüberwindbare Hindernisse erlebt. Argentum nitricum zweifelt daran, dass es die notwendige Hoffnung und Konzentration der Kräfte zur Überwindung der Schwierigkeiten mobilisieren kann. Es glaubt nicht daran, dass es die dafür notwendigen intellektuellen Fähigkeiten besitzt: gezieltes Denken, Kombinationsgabe, Erinnerungs- und Durchhaltevermögen. Im Bewusstsein dieser Schwäche weicht es vor allen Schwierigkeiten zurück. Es handelt dabei nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip: Entweder erreiche ich ein Ziel schnell, mühelos und auf direktem Weg, oder dann gebe ich auf und lasse mich vom gesteckten Ziel abbringen. Das Lebensgefühl, das daraus resultiert, ist Enge und Eingeschlossenheit. Die reellen Handlungsmöglichkeiten reduzieren sich auf wenige Ziele, die schnell, mühelos und ohne Umwege erreicht werden können.

MIASMATISCHE DYNAMIK — TERTIÄRE PSORA


Egotrophie
Egotrophe Argentum-nitricum-Menschen, die den Verlust leugnen, geben sich betont hoffnungsvoll. Schwierigkeiten bringen sie nicht von ihren Zielen ab, sie sind vielmehr dazu da, gemeistert zu werden. Sobald bei einem Projekt irgendwelche Schwierigkeiten auftauchen, überdenken sie ihre Ziele und ihr Vorgehen nochmals und gehen dann flexibel und doch zielstrebig weiter. Sie pochen auf ein sorgfältiges und aufmerksames Eingehen auf die Umwelt und die Problematik, sie legen Wert auf ein gutes Vorstellungsvermögen und glauben an ihren Erfolg. Sie wollen ihre Ziele nicht um jeden Preis und ohne Abstriche erreichen. Sie möchten lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Die eher kindlich-naiven Argentum-nitricum-Menschen verdrängen die möglichen Gefahren und Hindernisse. Sie haben eine kindliche Hoffnung, dass ihnen schon nichts passieren werde. Sie glauben an ein Gelingen, auch wenn das unrealistisch und unwahrscheinlich ist. Sie träumen vom leichten und schnellen Erfolg und erzählen vom Tellerwäscher, der es zum Präsidenten der USA gebracht hat.
Egotrophe Argentum-nitricum-Menschen, welche die Übertretung wiederholen, können Verfechter der Hoffnungslosigkeit und des Pessimismus sein. Sie erhoffen das Unglück geradezu, um beweisen zu können, dass Hoffnung eine leere Phrase ist. Diese Menschen sind Masochisten. Sie lieben es, ihr Unglück zu zelebrieren. Sie sind Pessimisten aus Überzeugung und sie werden mit allen Mitteln versuchen, eine Verbesserung ihrer Situation zu verhindern. Ihr Glück ist es, klagen und jammern zu dürfen. Dass ihnen niemand helfen kann, ist ihre grosse Befriedigung.
Eine andere Spielart sind Menschen, die um jeden Preis zum schnellen Erfolg kommen wollen. Sie wählen sich Ziele aus, die sie schnell und mit möglichst kleiner Anstrengung erreichen können. Sie gehen dabei rücksichtlos und grob vor. Sie beseitigen Hindernisse mit Brachialgewalt. Zu diesen Menschen gehört der impulsive Argentum-nitricum-Typ, der ohne grosse Überlegung mit einem möglichst kurzen und heftigen Kraftaufwand etwas erreichen möchte.

Egolyse
Für egolytische Argentum-nitricum-Menschen wird das Scheitern zur Realität. Sie können nicht mehr gezielt denken, sich auf nichts mehr konzentrieren, sie haben kein Vorstellungsvermögen mehr. Die kleinsten Schwierigkeiten sind unüberwindbar. Sie kommen nicht mehr ans Ziel ihrer Wünsche. Sie sind faul, arbeitsscheu, unsozial und drücken sich um alle Aufgaben

Alterolyse
Alterolytische Argentum-nitricum-Menschen werden ausfällig gegen alle, die von ihnen eine gewisse Anstrengung verlangen. Sie werden aggressiv, wenn andere ihnen bei der Verwirklichung ihrer Ziele Steine in den Weg legen.

LEITMOTIV — PRIMÄRE PSORA


Argentum nitricum erträgt die Distanz nicht, die den Menschen von der Verwirklichung seiner Ideen und Wünsche trennt. Es möchte jederzeit bereits am Ziel seiner Wünsche sein. Der Weg zur Verwirklichung seiner Projekte ist für den Menschen mit Schwierigkeiten und Gefahren gepflastert. Um nicht vom Weg abzukommen, darf der Mensch die Hoffnung nicht verlieren, und er muss alle seine Kräfte auf die Verwirklichung seines Zieles konzentrieren. Manchmal muss er kleine Umwege oder gewisse Abstriche in bezug auf seine Ziele in Kauf nehmen. Argentum nitricum verweigert dies. Es verliert die Hoffnung, überhaupt etwas zustande zu bringen. Das Scheitern ist vorprogrammiert.

Transzendenter Wert
Bei Gott fällt sein Wollen zusammen mit seinem Sein. Sein Wille wird immer erfüllt und ist unveränderlich. Es gibt bei ihm keine Distanz zwischen Wollen und Sein. Da er die alleinige Ursache alles Seins ist, gibt es für ihn keine Hindernisse. Er braucht keine Anstrengung und keine Hoffnung, um seine Ziele zu verwirklichen.

Menschliche Daseinsbedingung
Im Gegensatz zu Gott klaffen beim Menschen Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Der Mensch ist weder alleinige Ursache des Seins, noch umfasst er das ganze Sein. Als winziger Teil des Universums steht er bei der Verwirklichung seiner Wünsche vor einer Unzahl von Hindernissen, die er beseitigen oder denen er ausweichen muss, wenn er an sein Ziel kommen will. Je grösser und unüberwindlicher diese Hindernisse sind, desto mehr bedarf es einer besonderen Anstrengung, um einen ursprünglichen Plan zu verwirklichen. Der Mensch muss in solchen Situationen vor allem die Hoffnung mobilisieren. Diese verhindert, dass er seinen Plan aufgibt, sobald Schwierigkeiten auftauchen. Vielmehr führt sie dazu, dass die Erreichbarkeit eines Zieles und die Wahl der Mittel genau unter die Lupe genommen werden. Alle Kraft wird auf die Erreichung eines bestimmten Zieles konzentriert.
Diese Anspannung und Konzentration auf einen Punkt ist die Aufmerksamkeit. Sie muss bei schwierigen Handlungen stark gesteigert werden, wenn diese von Erfolg gekrönt sein wollen. Eine wichtige Voraussetzung der Hoffnung ist die Fähigkeit zur Imagination, die in der aristotelisch-thomistischen Anthropologie zu den inneren Sinnen gehört. Da das gewünschte Objekt noch in der Zukunft steht, d.h. noch abwesend ist, muss der Mensch es sich vorstellen können. Nur so kann er Aufmerksamkeit, Anstrengung und Mittel zielgerichtet einsetzen. Imagination und Aufmerksamkeit können sich sowohl auf das erhoffte Gut als auch auf das befürchtete Böse beziehen.
Da im Zentrum der Argentum-nitricum-Thematik das schnell und vollkommen zu erreichende Gut steht, sind bei diesem Mittel Imagination und Aufmerksamkeit geschärft. Weil Argentum nitricum die Distanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit nicht akzeptiert, und weil es die Anstrengungen und die notwendige Flexibilität auf dem Weg zum Ziel verweigert, ist in seiner Vorstellungswelt ohnehin alles zum Scheitern verurteilt. Die geschärfte Imagination und die angespannte Aufmerksamkeit machen sich am befürchteten Misserfolg statt am erhofften Erfolg fest. Die Vorstellungswelt ist beladen mit dem Schlimmsten, was je passieren könnte. Argentum nitricum verweigert die Hoffnung und verfällt in die tiefste Hoffnungslosigkeit.

Kerne

Schuld
Argentum nitricum akzeptiert die Tatsache nicht, dass beim Menschen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Es weigert sich, beim Auftreten von Schwierigkeiten die notwendige Hoffnung, Konzentration der Kräfte und Flexibilität in bezug auf seine Ziele und Mittel zu mobilisieren. Es möchte wie Gott ausserhalb von Raum und Zeit stehen und jederzeit ohne Anstrengung bereits am Ziel seiner Wünsche sein. Argentum nitricum ist sich bewusst, dass es sich damit ausserhalb der Gemeinschaft stellt. Ein Gesellschaftsprojekt kann nur gelingen, wenn es auf das Engagement aller Mitglieder zählen kann. Argentum nitricum möchte seine Verweigerung verbergen, es möchte kein Aufsehen erregen und erträgt die Beobachtung durch andere nicht.

Verlust
Argentum nitricum verliert deshalb jegliche Hoffnung und Zuversicht. Die Zukunft wird ein Alptraum, weil sie nur das Scheitern und den Misserfolg beinhaltet. Argentum nitricum wird zum grossen Verlierer. Es verliert dadurch auch die Achtung der anderen.
Der Realitätssinn, der Erwachsene auszeichnet, kommt Argentum nitricum ebenfalls abhanden. Im Unterschied zu Kindern machen sich diese nur Hoffnungen auf erreichbare Zielen. Umgekehrt fürchten sie sich nicht grundlos vor irgendwelchen Dingen. Kinder haben in der Regel diesen Realitätsbezug noch nicht. Argentum-nitricum-Menschen erscheinen deshalb oft kindlich oder legen ein kindisches Verhalten an den Tag.
Argentum nitricum verliert auch den positiven Gehalt der Zeit. Zeit beinhaltet ja nicht nur Gefahr, sie ist auch Chance. Die meisten menschlichen Handlungen brauchen Zeit. Sie ist eine Grundbedingung für menschlichen Erfolg. Argentum-nitricum-Menschen fühlen sich indessen stets gehetzt.
Weil Argentum nitricum die Identität von Wunsch und Wirklichkeit anstrebt, verliert es die dem Menschen notwendige Flexibilität. Nur wenn wir unsere Ziele und Mittel immer wieder überprüfen und den veränderten Bedingungen anpassen, werden wir zum Ziel kommen. Argentum nitricum lässt es eher zum Misserfolg kommen, als dass es Abstriche an seinen Wünschen vornehmen würde.

Strafe
Argentum nitricum lebt in ständiger Alarmbereitschaft und Erwartungsspannung. Aufmerksamkeit und Imagination sind auf alle möglichen zukünftigen Übel konzentriert. Da es bezüglich seiner Ziele unflexibel ist, fühlt es sich eingeengt und beklemmt.

Sehnsucht
Seine Sehnsucht ist das Schlaraffenland, ein Land, wo Milch und Honig fliessen. Argentum nitricum möchte seine Wünsche jederzeit, sofort und vollständig erfüllt sehen, ohne dass es sich dafür anstrengen oder um deren Erfüllung bangen muss.

INTERPRETATION einzelner Themen oder Symptome


Festgesetzter Zeitpunkt, bestimmter Punkt (Thema 8)
Dieses Thema muss in Zusammenhang mit dem gezielten Denken und der Aufmerksamkeit (Thema 14) gestellt werden. Die Aufmerksamkeit bedeutet die Konzentration des Bewusstseins auf einen bestimmten Punkt oder Gegenstand. Da es sich hier um einen Punkt in der Zukunft handelt, unterstreicht dieses Thema die Wichtigkeit des Zieles in der Argentum-nitricum-Problematik. Die Grundangst besteht darin, ein bestimmtes Ziel nicht erreichen zu können.

Faules Wasser, Fische (Thema 24)
Das faule Wasser kann in Zusammenhang mit Verwesung, Veränderung betrachtet werden. Der Begriff "fauler Fisch" ist ein Synonym für Vorwand (DtW) In diesem Zusammenhang wäre es ein Symbol für die Vorwände, mit denen sich Argentum nitricum den Anstrengungen zur Erreichung eines Zieles zu entziehen versucht. Der Fisch ist ein Fruchtbarkeitssymbol. Er steht symbolisch für die Kinderlosigkeit (Thema 56), die wiederum ein Ausdruck des Scheiterns, des unerreichten Ziels ist.

Eine Reihe merkwürdig gekleideter Gestalten (Thema 51)
Hier ist die Unerreichbarkeit ausgedrückt. Die Gestalten ziehen sich zurück, wenn der Prüfling sich nähert. Sie rücken nach, wenn er sich zurückzieht. Es gibt keine Annäherung. Das kann symbolisch als das unerreichte Ziel gedeutet werden.

Pflaumensauce (Thema 60)
Symbolische Bedeutung der Pflaume sind Fruchtbarkeit und Unsterblichkeit.

ANDERE HYPOTHESEN


Eine Hypothese der AFADH von 1990 geht davon aus, dass Argentum nitricum die Distanz zwischen Enscheidung und Aktion nicht aushält. Es möchte das Glück in der unmittelbaren Erfüllung, ohne dass es sich an der gemeinsamen Arbeit zur Etablierung des Gemeinwohls beteiligen will. Die Hypothese stellt die gesellschaftliche Problematik in den Vordergrund: Vom Gemeinwohl profitieren zu wollen, ohne etwas dazu beizutragen.
Die vorliegende Hypothese wurde im Rahmen der Zürcher Masi-Gruppe 1997 entwickelt. Beteiligt daran waren: Barbara Bichsel, Bettina Bircher, Erna Gutscher, Thekla Kaufeis, Martina Landolt, Christina Laube, Peter Mattmann, Rita Ming, Pierre Strub.
Sie geht ebenfalls davon aus, dass Argentum nitricum die Distanz zwischen Wunsch und Verwirklichung nicht erträgt und die Erfüllung seiner Wünsche sofort, vollkommen und ohne Anstrengung haben möchte. Argentum nitricum weigert sich, die besondere Anstrengung und die Hoffnung zu mobilisieren, die es braucht, wenn auf dem Weg zum Ziel Hindernisse entstehen. Von daher kommt natürlich seine Weigerung, sich an der allgemeinen gesellschaftlichen Kulturleistung zu beteiligen. Aber noch zentraler schienen die abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit — die Hoffnung ist das eigentlich zurückgewiesene menschliche Vermögen — und damit verbunden die Konzentration der Imagination auf das bevorstehende Unglück.

DIFFERENTIALDIAGNOSE


Zunächst kommen differentialdiagnostisch alle Mittel mit Erwartungsspannung, Angst vor der Zukunft oder einer Vorsehungsproblematik in Frage: Calcium carbonicum, Bryonia, Stannum, Gelsemium, Manganum, Phosphoricum acidum, Sulfuricum acidum, Natrium sulfuricum, Aconitum, Spigelia, usw.
Differentialdiagnostisch wichtig sind ferner alle Mittel mit der Thematik des Scheiterns: Sarracenia, Aloe, Digitalis, Naja tripudians, Natrium sulfuricum, Gelsemium, Ptelea, Magnesium muriaticum, Zincum, usw.
Ein dritter differentialdiagnostischer Ast bezieht sich auf das Thema des unmittelbaren Glücks: Angustura, Cannabis sativa, Allium cepa, Argentum metallicum, Opium, usw.

THOMAS VON AQUIN


Wichtiges Material zu den Themen Aufmerksamkeit, Imagination und Erwartung findet sich bei Collin:

Co II S. 162 ff. "Die inneren Sinne" (...)

"2. Die Imagination stellt sich selbst nicht vorhandene Objekte vor, und wird so dazu bewegt , nach ihnen zu streben, wenn diese ihr nötig oder nützlich sind.
Dabei erlaubt es die reproduzierende Imagination einerseits, den Eindruck, welchen die wahrgenommenen Objekte hinterlassen haben, zu speichern, und sie andererseits in sich selbst wieder hervorzurufen, beides in Form von Bildern.
Beim Menschen, der durch die Intelligenz geleitet wird, ist die Vorstellungskraft fähig, neue Bilder hervorzubringen, indem sie sich der bereits vorhandenen bedient: man nennt sie deshalb kombinatorische oder kreative Imagination."

Co II S. 62 ff. "Formen der Aufmerksamkeit" (...)

"1. [Die Aufmerksamkeit] kann sinnenhaft oder intellektuell sein, je nachdem, ob sie durch die Sinne oder den Geist ausgeübt wird. (...)

2. [Die Aufmerksamkeit] ist selbsttätig oder willentlich, je nachdem, ob es der Anstrengung bedarf oder nicht, um sie aufrechtzuerhalten. Erstere wird durch die Anziehung des Objekts ausgelöst, die zweite durch eine Entscheidung des Subjekts (...)
a) Die selbsttätige Aufmerksamkeit ist gewissermassen automatisch. Man nennt sie manchmal Reflex (nicht "passiv"), weil sie bestimmt wird durch die Intensität oder die Neuheit des Objekts (...)
b) Die willentliche Aufmerksamkeit entsteht hingegen aufgrund einer Überlegung. Wenn sie eine Anstrengung beinhaltet, so deshalb, weil sie sich auf ein Objekt richtet, das wenig oder keine Anziehung auf uns ausübt (...)

3. Wenn man die Aufmerksamkeit im Verhältnis zum Objekt betrachtet, auf das sie sich richtet, wird sie zur Erwartung oder zum Erstaunen, zur Beobachtung oder zur Betrachtung.
a) Sie ist aktive Erwartung oder abwartendes Achtgeben; das, was man wünscht oder befürchtet, ist zwar noch nicht vorhanden, aber vorstellbar als unmittelbar bevorstehend (...) Diese Aufmerksamkeit umfasst eine bestimmte Haltung der Vorbereitung auf die Aktion, einen Zustand der Wachsamkeit und der Alarmbereitschaft. Bilder und Erinnerungen wirken hier wie «vorangegangene Wahrnehmungen»; ihre Rolle ist so vorherrschend, dass sie sich oft an den geringsten Sinnesreiz anhängen und so die wirkliche Gegenwart des Objekts vortäuschen (...)
b) Erstaunen, wenn ein Objekt unvorhergesehen auftaucht oder nicht dem entspricht, was man sich vorgestellt hatte (...)
c) Beobachtung, wenn das gegenwärtige Objekt zwar anschaulich ist, aber einen unbekannten Teil birgt, den der Geist rein beobachtend zu enthüllen versucht. Die Beobachtung beruht immer auf wirklichen Erfahrungen.
d) Betrachtung, wenn das Objekt (...) stattdessen durch eine Rückkehr der Gedanken zu den Ideen oder Werken erforscht wird. Die Betrachtung ist demnach eine Aufmerksamkeit, die sich nach innen richtet, auf die Objekte, wie sie uns in unserer inneren Welt zu Verfügung stehen. Mit ihrer Hilfe suchen wir nach der Daseinsberechtigung der Dinge."

Co II S. 65 ff. "Gliederung und Wesen der Aufmerksamkeit"

(...)
"A. Psychische Gesichtspunkte

1. Hier gibt es zuerst ein Objekt, das wir im Bewusstseinsstrom anhalten. Normalerweise folgen und mischen sich die Dinge, derer wir bewusst sind, ständig. Also besteht unsere Aufmerksamkeit darauf, sich ein Objekt, das sie einem anderen vorzieht, zu merken (...) Es ist das Objekt, das angehalten wird, nicht die Wahrnehmung der umliegenden Dinge; letztere verschwimmen lediglich (...)

2. Die Konzentration: Das Objekt besetzt nicht nur das Zentrum des Bewusstseins; es wird seinerseits ein Zentrum der Einheit, um das herum das Subjekt seine Erkenntnisfähigkeit und seine Mittel — sogar die affektiven und organischen — sammelt und konzentriert. «Es handelt sich um eine Spannung des ganzen Lebewesens im Hinblick darauf, die Funktion, die es gerade ausübt, zum höchsten Grad der Wirksamkeit zu treiben.» (...)
Man kann sie [die Konzentration] also nicht als etwas rein Passives einschränken, etwa auf ein vorherrschendes Gefühl (Condillac) oder ein Bild, das einem nicht aus dem Sinn geht (Traine). Zweifellos erfordert die Aufmerksamkeit ein Subjekt, welches sich der Wirklichkeit fügt, aber in der Art einer Voraussetzung. Es ist übrigens genau die Aufmerksamkeit, die man den Dingen schenkt, welche ein Gefühl vorherrschend und ein Bild lästig machen. (...) Die Aufmerksamkeit ist also nicht eine Wahrnehmung, sondern

3. eine Untersuchung, die dazu dient, die Wahrnehmung zu präzisieren oder sich daran anzupassen, um die [dahinterliegende] Idee zu erhellen und aufzunehmen.
(...) Es geht hier um eine Tätigkeit der Synthese (...), um eine Art Dialog zwischen Objekt und Subjekt, um eine Anreicherung von Ideen, Bildern, affektiven Eindrücken, welche sich um das gleiche Interessenszentrum herum organisieren. (...) Diese Vielfalt wird in der Einheit des gleichen Zieles zusammengehalten.

4. Hemmung: Dies ist die negative Seite der Aufmerksamkeit. Die anderen psychischen Anteile, die Wahrnehmungen, die Bilder, die Handlungen des Subjekts, die in dem Moment nicht zum Nutzen des Objekts angewendet werden können, werden mit oder ohne Anstrengung unterdrückt und laufen in einer Art Halbbewusstsein ab.

5. Lebhaftigkeit der Wahrnehmung. Das Objekt wird
a) schneller wahrgenommen, weil die Aufmerksamkeit die sinnliche Reizschwelle senkt und die nervlichen Aktivitäten beschleunigt.
b) klarer wahrgenommen, weil es das Zentrum, den Kern der Wahrnehmung gefangennimmt (Fokussierung) (...)
c) vertiefter wahrgenommen, nicht nur, weil seine objektive Intensität grösser wäre, sondern weil es sich besser vom Ganzen abhebt (...) und wir ausserdem die geringsten Nuancen davon erfassen. (...)

B. Organische Gesichtspunkte

Da die Aufmerksamkeit eine Spannung des ganzen Lebewesens auf ein Objekt hin ist, durch die Vermittlung einer seiner Erkenntnisfähigkeiten, weist sie folglich einen ganzheitlichen organischen Aspekt und eine spezielle Anpassung auf, die es möglich macht, ein aufmerksames Subjekt leicht an seinem speziellen Verhalten zu erkennen.

1. Allgemeine Veränderungen:
a) Blutzufluss zum Gehirn durch Beschleunigung der Herzfrequenz und periphere Gefässverengung.
b) Verlangsamte Atmung, durch Verminderung der Ausatmung und tiefere Einatmung — von daher der Ausdruck «mit langem Atem arbeiten».
c) Kürzere und schnellere Gehirnstromwellen.
d) Aktive Immobilisierung des Muskelsystems durch Hemmung der parasitären Bewegungen und Anspannung der Muskulatur, vor allem im Gesicht.

2. Spezielle Anpassung der Sinnesorgane auf das Objekt hin, um die Voraussetzung der Wahrnehmung zu verbessern (Akkommodation und Konvergenz der Augen, Ausrichtung des Gehörs, halboffener Mund, usw.) (...)"

Co II S. 69 ff. "Faktoren der Aufmerksamkeit"

"A. Externe Faktoren

1. Die Objekte erregen durch ihre Lebhaftigkeit oder ihre Neuheit die reflexartige, spontane Aufmerksamkeit. (...)

2. Die Gesellschaft spielt eine grosse Rolle bei der Erziehung des Individuums zur willentlichen Aufmerksamkeit:
a) Sie lehrt es, Anstrengungen zu leisten, sei es, indem sie ihm höhere Ziele setzt, als es aus Egoismus wählen würde, sei es, indem sie ihm durch ihre Sitten und Gesetze Respekt vor bestimmten Werten beibringt; sie entwickelt in ihm auf diese Weise in Gestalt von Höflichkeit und Gehorsam eine Fähigkeit zur Hemmung, welche jede aufmerksame Haltung voraussetzt. Wenn die Familie und die Schule bei dieser Erziehungsaufgabe versagen, bleibt das Individuum lange das Opfer seiner Bilder und Eindrücke.
b) Es ist auch die Gesellschaft, welche durch die geistige Kultur, die sie zur Verfügung stellt, die Fähigkeit zur Synthese entwickelt. Diese ist wesentlich für jede Aufmerksamkeit, aber beim Kind, dessen Geist sich leicht auf viele Dinge zerstreut, nur schwach ausgebildet. Die Gesellschaft liefert in der Tat die Schemata und die allgemeinen organisatorischen Formen, die dem Geist erlauben, sich an ein Objekt anzugleichen und es zu verstehen. (...)

B. Interne Faktoren sind organischer oder psychischer Art. (...)"

Co II S. 73 "Rolle [der Aufmerksamkeit]"

"1. Im intellektuellen Leben ist die Aufmerksamkeit die Bedingung für jeden ernsthaften Fortschritt, weil sie unseren Handlungen die Vervollkommnung ermöglicht: genaue Wahrnehmung, getreues Gedächtnis, klare und deutliche Ideen, gewissenhafte Überlegung. In der Wissenschaft ist sie Voraussetzung jeder Entdeckung, welche Beobachtung und Reflexion, Analyse und Synthese erheischt.

2. Im moralischen Leben ist sie die Voraussetzung
a) des Verantwortungsgefühls (...) und
b) der moralischen Entwicklung (...)
c) Darüberhinaus ist die Aufmerksamkeit ein Instrument unserer sittlichen Verwirklichung. (...) Meister über seine Aufmerksamkeit sein heisst, Meister über sich selbst sein. (...)

3. Im gesellschaftlichen Leben wird die Aufmerksamkeit als Takt, Höflichkeit, angepasstes Verhalten, Fürsorge gegenüber verstecktem Unglück, Klugheit, sowie heitere Beflissenheit für berufliche und soziale Verbesserungen beschrieben. Auch hier bewirkt die Aufmerksamkeit eine Synthese: die Aussöhnung der Geister und die Vereinigung der Herzen."
(Übersetzung Susanne Studer, Andrea Zarth)

Diese Analyse der Aufmerksamkeit bei Collin zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen der Aufmerksamkeit und der gesellschaftlichen Kulturleistung, die sich im Mittelbild von Argentum nitricum wiederfindet.
Der Zusammenhang zwischen Hoffnung, Aufmerksamkeit und Arbeit wird bei Thomas von Aquin, ST II 40 "Die Leidwegungen des Zornmutes, zunächst die Hoffnung und die Verzweiflung" dargestellt.
In 40.1 "Ist Hoffnung dasselbe, was Verlangen oder Begierde ist ?" zählt Thomas vier Bedingungen auf, die gegeben sein müssen, damit man von Hoffnung sprechen kann:
1. Die Hoffnung bezieht sich auf ein Gut. Dadurch unterscheidet sie sich von der Furcht, die sich auf ein Übel bezieht.
2. Die Hoffnung bezieht sich auf ein Gut, das in der Zukunft liegt. "auf den Besitz in der Gegenwart gibt es nämlich keine Hoffnung."
3. Hoffnung bezieht sich auf etwas, das schwierig zu erreichen ist. Etwas leicht Erreichbares muss man nicht erhoffen.
4. Hoffnung bezieht sich auf etwas, das zwar schwierig zu erreichen ist, aber doch erreichbar ist. Was man nicht erreichen kann, erhofft man nicht.
In 40.8 "Trägt die Hoffnung zum Werktun bei oder hindert sie es eher ?" beschreibt Thomas den Zusammenhang zwischen Hoffnung, Aufmerksamkeit und Arbeit wie folgt: "Die Hoffnung hat an sich, die Tätigkeit zu unterstützen, indem sie diese anspannt. Und dies aus zwei Stücken. Zunächst einmal aus dem Berede ihres Gegenstandes, der das mögliche steilragende Gut ist. Die Bewertung des Aufragenden nämlich weckt die Aufmerksamkeit: die Veranschlagung von Möglich hingegen hält die Unternehmung nicht zurück. Daher folgt, dass der Mensch wegen der Hoffnung angespannt am Werk ist. - Zweitens aber aus dem Berede ihrer Wirkung. Wie nämlich oben gesagt worden ist, verursacht Hoffnung die Freuung: welche die Tätigkeit unterstützt, wie oben gesagt wurde. Deswegen fördert die Hoffnung die Werktätigkeit."
Die Hoffnung fördert also die Handlungskraft des Menschen angesichts von Schwierigkeiten, indem sie seine Aufmerksamkeit steigert. Wer nicht mehr hofft, wird unaufmerksam. Von daher kommen die Ängste von Argentum nitricum, es könnte das gezielte Denken und die Aufmerksamkeit verlieren, oder seine gespannte Konzentration auf das bevorstehende Übel.

QUELLEN


Autor: Susanne Studer, Materia Medica Homoeopathica – revidiert nach Dr. Alfonso Masi-Elizalde

A Allen T.F., The Encyclopedia of pure Materia Medica, New Delhi 1988, Band 1
He Hering Constantin, The Guiding Symptoms of our Materia Medica, New Delhi 1989, Band 1
Co Collin, Henri, Manuel de Philosophie Thomiste, Paris1949
ST Thomas von Aquino, Summe der Theologie, Hrsg. von Joseph Bernhart, Stuttgart 1985
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